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Die Gleichstellung von Frau und Mann ist in der Bundesverfassung seit 1981 festgeschrieben. Nach Ansicht des Bundesrates ist sie trotzdem noch nicht erreicht. Nun macht er das Thema zur Chefsache.
Seit der Einführung des Frauenstimmrechts vor 50 Jahren hat die Schweiz in der Gleichstellung viele Fortschritte gemacht. Vollständig erreicht sei sie allerdings noch nicht, räumt der Bundesrat ein. Um die Lücken zu schliessen, hat er am Mittwoch die Gleichstellungsstrategie 2030 verabschiedet. Es sei die erste nationale Strategie des Bundes in diesem Bereich, heisst es in einer Mitteilung des Eidgenössischen Büros für Gleichstellung von Mann und Frau.
Zur Begründung führt der Bundesrat verschiedene Argumente ins Feld: Frauen verdienten im Schnitt 19 Prozent weniger als Männer. Über 55 Mal pro Tag werde eine Straftat im häuslichen Bereich begangen, in 70 Prozent der Fälle sei das Opfer weiblich. Fehlende Individualbesteuerung und erschwerte Vereinbarkeit hielten Frauen oft vom Arbeitsmarkt fern und hindern viele Männer daran, mehr familiäre Aufgaben zu übernehmen. Die Folgen: Fachkräftemangel, finanzielles Risiko bei Trennung, Armut im Alter und einseitige Belastung des Mannes als «Hauptversorger».
Bis 2030 soll sich das ändern. Das Ziel des Bundesrates: Frauen und Männer beteiligen sich gleichgestellt am wirtschaftlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben. Sie geniessen während ihres ganzen Lebens die gleiche soziale Sicherheit und verwirklichen sich in einem respektvollen Umfeld ohne Diskriminierung und Gewalt. Die konkreten Massnahmen sollen bis Ende Jahr konkretisiert werden.
Bereits hat der Bundesrat vier Handlungsfelder identifiziert: Er will die Lohndiskriminierung im öffentlichen und privaten Sektor beseitigen und eine ausgewogenere Erwerbsbeteiligung der Geschlechter erreichen. Gestärkt werden sollen auch die Instrumente für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu zählt der Bundesrat Elternurlaube, familienfreundliche Arbeitszeiten und die soziale Sicherheit für Eltern.
Drittens hat sich der Bundesrat zum Ziel gesetzt, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu reduzieren und die persönliche Sicherheit von Frauen zu verbessern. Als letztes Handlungsfeld ortet die Landesregierung die verstärkte Bekämpfung von Diskriminierung, so dass Frauen und Männer während ihres ganzen Lebens die gleichen Chancen haben.
Der Bundesrat stösst mit seinem Vorgehen auf Kritik. «Leider keine Strategie, sondern eine verpasste Chance», schreiben die Organisationen Brava (ehemals Terre des Femmes Schweiz) und Männer.ch in einer gemeinsamen Mitteilung. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB schreibt gar von einer «mutlosen Absichtserklärung samt unsäglichem Affront». Dabei geht es um die Erhöhung des Frauenrentenalters.
Auch die SP Frauen Schweiz sind der Ansicht, der Bundesrat habe die Gelegenheit verpasst, eine zukunftsgerichtete Gleichstellungspolitik einzuläuten. Die Strategie trage den gesellschaftlichen Realitäten zu wenig Rechnung, zementiere ein binäres Weltbild und klammere wichtige Punkte aus. Travail Suisse, der Dachverband der Arbeitnehmenden, schliesst sich an. Die Gleichstellungsstrategie sei weder ambitioniert noch sehr modern.