Gesundheitsversorgung
Zugang zu Medikamenten: Streit mit Pharmabranche spitzt sich zu

Die Pharmahersteller ärgern sich über die lange Zulassungsfrist neuwertiger Therapien. Ihr Vorschlag fällt nun aber durch. Der Bundesrat möchte nur leicht am heutigen System schrauben.

Reto Wattenhofer und Anna Wanner
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Grosses Versprechen in der Behandlung von Krebs: die Immuntherapie über eigene veränderte Zellen.

Grosses Versprechen in der Behandlung von Krebs: die Immuntherapie über eigene veränderte Zellen.

Laurent Gillieron / Keystone

Die Pharmabranche liegt seit Jahren mit den Behörden im Clinch. Damit Medikamente von der Krankenkasse vergütet werden, müssen sie auf die Spezialitätenliste aufgenommen werden. Das geht aber nur, wenn sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Hersteller auf einen Preis einigen können. Gerade bei neuen innovativen Medikamenten, die oft sehr teuer sind, kann das dauern. Leidtragende sind Menschen, die auf das Medikament angewiesen sind.

Nun unternimmt der Bundesrat einen Anlauf für eine bessere Preisfestsetzung und mehr Transparenz. Er hat am Freitag eine Reihe von Verordnungsänderungen in die Vernehmlassung geschickt. Ansetzen möchte die Landesregierung bei der Einzelfallvergütung. Diese ermöglicht einen raschen Zugang zu dringend benötigten Arzneimitteln, bevor ihr Preis festgesetzt worden ist. Heute bestehen grosse Unterschiede zwischen Krankenkassen, wenn es um die Beurteilung des therapeutischen Nutzens eines Medikaments geht, wie das BAG in einer Mitteilung festhält.

Früher Dialog mit Bund

Um die Gleichbehandlung von Patientinnen und Patienten zu erhöhen, möchte der Bundesrat die Versicherer verpflichten, das von den Vertrauensärzten entwickelte Bewertungsinstrument anzuwenden und Experten beizuziehen. Bei häufig beantragten Medikamenten können sich die Krankenkassen auch zusammenschliessen und Bewertungen gemeinsam durchführen.

Mit den Pharmafirmen strebt der Bundesrat zudem einen frühen Dialog an. Ein Hersteller soll mit dem BAG eine Vorabklärung durchführen – noch bevor er ein Gesuch zur Aufnahme auf die Spezialitätenliste stellt. Dadurch soll er die Einschätzung des BAG beim Gesuch bereits berücksichtigen. Aus Sicht des Bundesrates können dadurch lange Diskussionen vermieden und der Zugang beschleunigt werden.

Klarer geregelt werden soll auch die Preisfestsetzung. Dabei verfolgt der Bundesrat den Grundsatz: Je höher der Nutzen eines Arzneimittels, desto höher fällt der Preis aus, den die Krankenkasse mit dem Hersteller festlegt. Auch möchte er kostengünstige Therapien vergüten, die noch nicht von der Heilmittelbehörde Swissmedic zugelassen sind.

Vorschlag der Branche fällt durch

Mit den vorgestellten Plänen des Bundesrates ist definitiv klar: Der Bund konnte sich nicht mit der Pharmabranche einigen. Das hatte sich bereits Anfang Mai abgezeichnet, als die Industrie ihren eigenen Vorschlag präsentierte. Entsprechend enttäuscht zeigte sich Interpharma. Es bestehe die «akute Gefahr, dass die Schweiz beim Zugang zu Therapien mit hohem medizinischem Bedarf abgehängt» werde, schreibt der Branchenverband. Die geplante Revision sei eine schlechte Alternative zum eigenen Vorschlag.

Dieser sieht vor, dass nach der Zulassung durch Swissmedic ein neues Medikament mit «hohem medizinischen Bedarf» sofort in die Spezialitätenliste aufgenommen werden soll – und so für alle Patienten zugänglich sein. Bei der Festlegung des Preises schlägt Interpharma ein zweistufiges Verfahren vor. Der Preis wird erstmals provisorisch anhand des Auslandvergleichs festgelegt. Nach einem Jahr soll das BAG einen fixen Preis definieren. Liegt dieser unter dem provisorischen Preis, muss die Herstellerfirma die Differenz zurückzahlen.

Das BAG reagierte skeptisch auf die Vorschläge. Es sei wenig plausibel, dass eine Pharmafirma nach einem hohen Anfangspreis später einen tieferen Preis akzeptieren werde. Auch sei unklar, was gelte, wenn wegen überhöhter Preisvorstellungen des Herstellers keine Einigung gefunden werden kann. Der Bundesrat geht in seinen Ausführungen nicht auf den Plan der Branche ein.

Überfälliger Entscheid zu Generika

Ein Dorn im Auge sind dem Bundesrat auch die hohen Generikapreise. Diese sind hierzulande doppelt so teuer als im Ausland. Deshalb möchte er die Anreize stärken, diese Präparate abzugeben. Er schlägt verschiedene Neuerungen vor. Für besonders umsatzstarke Wirkstoffe soll eine zusätzliche Kategorie mit einem höheren Preisabstand zum Originalpräparat eingeführt werden. Auch soll der Selbstbehalt für Patientinnen und Patienten steigen, wenn sie sich gegen ein Generika entscheiden.

Um die Versorgungssicherheit zu berücksichtigen, wählt der Bundesrat ein differenziertes Vorgehen. Generika mit geringem Marktvolumen werden weniger von den Einsparungen betroffen sein als umsatzstarke. Mit diesen Anpassungen reagiert der Bundesrat auch auf Forderungen des Parlaments, die Preise von Generika zu senken ohne jedoch ein Referenzpreissystem einzuführen. Letzteres hatten National- und Ständerat abgelehnt.