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Weltweite Mindeststeuer von 15 Prozent: ETH-Professor und Kof-Direktor Jan-Egbert Sturm glaubt nicht an schlimme Konsequenzen für die Schweiz. Dafür werde der kantonale Steuerwettbewerb kleiner.
Grosse Digitalkonzerne wie Apple oder Google sollen nach dem Willen der führenden Industrienationen künftig weltweit mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Nach jahrelangen Verhandlungen einigten sich die Finanzminister der G7-Staaten am Samstag in London auf eine globale Steuerreform. Neben der Mindeststeuer von 15 Prozent soll auch dafür gesorgt werden, dass Grosskonzerne künftig dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze machen, wie aus einer gemeinsamen Erklärung der G7 hervorgeht. Der Durchbruch gilt als wichtige Grundlage für eine weitere Einigung der G20-Staaten.
Ziel ist es, die multinationalen Konzerne stärker zur Kasse zu bitten. Bisher werden Unternehmensteuern nur am Firmensitz fällig, aber nicht in den Ländern, wo die Konzerne aktiv sind, was bei den Digitalunternehmen oft in fast der ganzen Welt der Fall ist. Das führte dazu, dass viele Unternehmen ihren Firmensitz in Länder mit niedrigeren Unternehmensteuern verlagerten.
In einem Interview mit der SonntagsZeitung sprach der ETH-Wirtschaftsprofessor und Direktor der Konjunkturforschungsstelle (Kof) Jan-Egbert Sturm über mögliche Konsequenzen für die Schweiz. Mittelfristig werde die Schweiz nicht darum herumkommen, sich dem G7-Entscheid zu fügen, sagte er. «Wir können es uns nicht leisten, uns nicht an die Spielregeln der Grossen zu halten.»
Sturm vermutet, dass allenfalls die mobilen Branchen abwandern könnten. Gemeint sind Unternehmen, die ihre Handelstätigkeiten faktisch von überall auf der Welt ausüben können. «Langfristig könnten auch weniger mobile Branchen andere Standortentscheidungen fällen.» Der ETH-Wirtschaftsprofessor rät dazu, die Lage nicht zu sehr zu dramatisieren. Für ein Unternehmer sei die Steuerlast nur ein Kriterium von vielen, die über Investitionen entscheiden. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es schlimme Konsequenzen haben wird. Nicht nur die Unternehmenssteuern machen einen Standort attraktiv», sagte er.
Auch dürften kurzfristig die Steuereinnahmen für die Schweiz steigen und «vor allem wird es auch eine gewisse Steuerharmonisierung innerhalb des Landes geben, der kantonale Steuerwettbewerb wird kleiner.»
Für die Weltwirtschaft geht er davon aus, dass die Steueroasen leiden werden. «Diese Länder müssen sich etwas einfallen lassen, wie sie attraktiv bleiben können, auch mit höheren Steuersätzen.» Ob die grossen Techfirmen dann tatsächlich die Steuern bezahlen, die sie müssten, bleibt offen. Sturm geht von einer Kombination aus angemessenen Steuern und neuen Steuerschlupflöchern aus. «Es wäre utopisch, wenn man glauben würde, das Problem sei von einem Tag auf den andern gelöst.» (dpa/abi)