Dreieinhalb Jahre war die Spielbank in der italienischen Enklave Campione nach einem Konkurs geschlossen. Nun rollt die Kugel wieder. Personal und Löhne wurden dezimiert.
Für die kleine Gemeinde Campione am Luganer See ist es ein historischer Moment. Kurz nach 12 Uhr setzt sich am Mittwochmittag die Drehtür zur gigantischen Spielbank in Bewegung. Dreieinhalb Jahre war dieser Eingang geschlossen. Nun warten einige Dutzend Personen. Sie wollen die ersten sein, welche im wiedereröffneten Casinò ihr Glück versuchen.
Doch sie müssen sich zuerst registrieren lassen – mitsamt Fingerabdrücken. Künftig können sie dann ohne erneute Anmeldung über Touchscreens in den Spieltempel gelangen. Die neue Formel lautet «All in one Touch». Auch für den Green Pass, das Covid-Zertifikat, stehen elektronische Lesegeräte bereit.
«Es ist ein sehr emotionaler Moment», sagt Tiziana Pastrolin am Empfang. Die 51-Jährige war als Croupier tätig, bevor die Behörden am 27. Juli 2018 die Eingänge versiegelten. Ein gewaltiger Schuldenberg von mehr als 100 Millionen Franken erdrückte damals das Casinò Municipale in der italienischen Enklave. Zirka 500 Angestellte verloren ihren Job, viele von ihnen mit Wohnsitz im Tessin. Die kleine Gemeinde als 100-prozentige Eigentümerin des Casinò ging bankrott.
Die Gemeindepolizei hatte nicht mal mehr Geld, ihre Autos zu betanken. Ein ökonomisches Desaster. Der Kindergarten musste schliessen, eine Reihe von Familien glitt in die Armut ab und war sogar auf Lebensmittelspenden angewiesen. Denn in Campione sind die Preise auf Schweizer Niveau. Die Arbeitslosenentschädigungen für die Mitarbeitenden mit Wohnsitz Campione wurden aber nach italienischen Ansätzen berechnet.
Mehrere Jahre hat es gedauert, den Scherbenhaufen zu ordnen, bevor ein Gericht in Como den Weg für einen Relaunch freimachte und einen Business-Plan genehmigte. «Wir haben den Betrieb gegenüber früher deutlich verkleinert», sagt der Verwaltungsratsdelegierte der Casinò Campione SA, Marco Ambrosini.
Künftig werden nur noch 174 Personen auf der Lohnliste stehen. Auch die Gehälter liegen deutlich tiefer. Der Durchschnittslohn beträgt noch 3600 Franken brutto pro Monat. Dazu kommen allfällige Trinkgelder. Vor dem Konkurs lagen die Gehälter rund doppelt so hoch.
Nun also die Wiedergeburt, «la rinascita». Innerhalb von fünf Jahren sollen die verbliebenen Schulden zurückbezahlt werden. Im reduzierten Modus wird nun noch mit einem Bruttospielertrag von 40 Millionen Euro gerechnet, wobei diese Summe – genau wie die Zahl der Angestellten – mit den Jahren ansteigen sollte.
Zum Vergleich: Im letzten ordentlichen Betriebsjahr vor der Schliessung (2017) erwirtschaftete die Spielbank einen Bruttospielertrag von 90 Millionen Euro (100 Mio Franken). Zudem wollen Campione und die Casinò-Gesellschaft nicht nur auf das Glücksspiel setzen. In dem mehrstöckigen Gebäude sollen bald auch Geschäfte und Restaurants Einzug erhalten.
Für die Campionesi ist die Wiedereröffnung der Spielbank ein Silberstreifen am Horizont. Was bleibt, ist das zweite grosse Problem, das am 1. Januar 2020 durch die Integration des Ortes in das Zollgebiet der EU entstand. Die Gemeinde war bis zum damaligen Zeitpunkt Teil der Schweizer Zollunion. Die Statusänderung brachte gewaltige Komplikationen.
Autos mussten umgemeldet werden, die Schweizer Post verschwand. Alle Waren müssen nun beim Import nach Campione deklariert werden, etwa Heizöl, das traditionsgemäss bei Tessiner Mineralölfirmen geordert wird. «Eine italienische Bürokratie der schlimmsten Sorte», schimpfen viele Campionesi, die immer stolz waren, eine Art von Schweizern auf italienisches Territorium zu sein.
Wenig Freude an einer Wiederöffnung von Campione dürften derweil die Tessiner Spielbanken haben. Sie profitierten von der Schliessung Campiones, vor allem das Casinò Admiral in Mendrisio, aber auch das Casinò in Lugano. Ihre Bruttospielerträge machten schöne Sprünge nach vorne. Nun dürften sie wieder Anteile verlieren.