Aufhebung besondere Lage
«Wir stehen vor neuer Welle»: Tessin bittet Bundesrat, mit Öffnungen zu warten

Wegen der unsicheren Pandemiesituation bittet das Tessin den Bund, die Aufhebung der besonderen Lage zu verschieben. Bislang will der Bundesrat die letzten Coronamassnahmen Ende Monat aufheben.

Samuel Thomi
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Das Tessin bittet den Bund, die letzten Öffnungsschritte zu verschieben. Im Archivbild: Alain Berset auf Visite mit dem Tessiner Gesundheitsdirektor Raffaele De Rosa (r.) in der Südschweiz.

Das Tessin bittet den Bund, die letzten Öffnungsschritte zu verschieben. Im Archivbild: Alain Berset auf Visite mit dem Tessiner Gesundheitsdirektor Raffaele De Rosa (r.) in der Südschweiz.

Keystone

Der Bundesrat erhält dringende Post aus dem Tessin. Die Regierung des Südschweizer Kantons bittet die Landesregierung, die bislang auf den 1. April geplante Aufhebung der besonderen Lage zu verschieben. «Wir stehen vor einer neuen Coronawelle», sagte Gesundheitsdirektor Raffaele De Rosa am Donnerstag vor den Medien in Bellinzona. Insgesamt verliefen die Infektionen derzeit zwar weniger gravierend als in früheren Wellen. Doch wegen der schieren Anzahl würden nun auch die Hospitalisierungen und Todesfälle wieder ansteigen. Betroffen seien Geimpfte und Ungeimpfte – und immer mehr auch wieder ältere und damit vulnerablere Menschen.

Nachdem der Bundesrat Mitte Februar praktisch alle Coronamassnahmen aufgehoben hat, will er mit der Aufhebung der sogenannt besonderen Lage auch noch die letzten Massnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus aufheben. Damit würden die Kantone wieder vollständig verantwortlich für die Pandemiebekämpfung. Zum Beispiel entfiele auch die Möglichkeit für den Bund, im öffentlichen Verkehr eine schweizweit gültige Maskenpflicht anzuordnen. Diese Woche hat der Bundesrat offiziell keinen Sitzungstermin. Er wird laut der bislang bekannten Agenda der Landesregierung erst kommenden Mittwoch wieder zusammentreffen.

Mehr Spitaleinweisungen und Todesfälle

Grund für die jüngste Coronawelle ist laut Raffaele De Rosa die neueste, inzwischen auch im Tessin dominante Omikron-Untervariante. Das Virus sei nicht verschwunden, mahnte der Mitte-Politiker. Das würden die Entwicklungen der Infektionszahlen als auch die wieder angestiegenen Einweisungen in Spitäler und Todesfälle zeigen.

Erstmals seit zwei Wochen sind die Tessiner Coronafallzahlen am Donnerstag zwar unter 1000 auf noch 859 neue Fälle gesunken. Die Zahl der Menschen, die neu in eine Intensivstation eingewiesen wurden, stieg derweil zum Vortag von 8 auf 9 Personen. Auch sind dem Kanton in den vergangenen 24 Stunden zwei neue Todesfälle in Zusammenhang mit einer Coronainfektion gemeldet worden. Zuvor war der letzte Corona-Todesfall im Tessin laut Kantonsarztamt am 5. März registriert worden.

«Schwierig abzuschätzen, was passieren wird»

Wie Kantonsarzt Giorgio Merlani bereits vor Wochenfrist zum Radio und Fernsehen der italienischen Schweiz sagte, ist die Bereitschaft der Menschen, sich auf das Coronavirus testen zu lassen, stark gesunken. Ausführungen vom Donnerstag zufolge rechnet er damit, dass sich inzwischen «nur noch eindeutig symptomatische Menschen testen lassen». Folglich ist es «bei derart ungenauen Daten» laut dem Kantonsarzt «schwierig abzuschätzen, was passieren wird». Sprich: Ein Marschhalt beim letzten Öffnungsschritt sei auch aus fachlicher Sicht angezeigt.

Auf die hohe Dunkelziffer bei den Coronafallzahlen verweisen laut Giorgio Merlani im Tessin Proben des Abwassers sowie die aktuelle Positivitätsrate von über 50 Prozent. Ab 5 Prozent stuft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diese als zu hoch ein.