Armut
Zweite Chance für Menschen mit Schulden: Bundesrat erleichtert finanzielle Erholung

Verschuldete Personen mit wenig Einkommen haben heute oft Mühe, ihren Schuldenberg je abzubauen. Nun will der Bundesrat durch Schuldenerlasse für Private Abhilfe schaffen.

Gina Bachmann
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Wenn das Einkommen nicht reicht, um die Schulden zu begleichen, finden Betroffene kaum je einen Ausweg aus ihrer Situation (Symbolbild).

Wenn das Einkommen nicht reicht, um die Schulden zu begleichen, finden Betroffene kaum je einen Ausweg aus ihrer Situation (Symbolbild).

Keystone

Wer Schulden hat und wenig verdient, läuft Gefahr, in einer jahrelangen Schuldenfalle zu landen. Denn während Unternehmen bei einem Konkurs zumindest ein Teil ihrer Schulden erlassen wird, ist dies bei Privaten nicht der Fall. Die Schweiz ist eines der wenigen Länder Europas, das bisher keinen Schuldenerlass für Private kennt.

Zwar ist es Privaten durchaus schon heute möglich, Privatkonkurs anzumelden. Doch in der Praxis wird dieses Verfahren kaum angewendet. Mit verheerenden Folgen: Die Schulden bleiben bestehen und wer sie weder mit Einkommen noch Vermögen tilgen kann, hat oft Mühe, sie je loszuwerden. Nun schlägt der Bundesrat zwei neue Verfahren zum Abbau des Schuldenbergs vor, wie er am Freitag mitteilte.

Gläubiger müssen auf Forderungen verzichten

Für verschuldete Personen mit einem regelmässigen Einkommen soll künftig ein «vereinfachtes Nachlassverfahren» möglich sein. Stimmt eine Mehrheit der Gläubiger zu, wird ein Teil der Schulden erlassen. Auch Gläubiger die nicht mit dem Schuldenerlass einverstanden waren, müssten auf ihre Forderungen verzichten.

Zweitens will der Bundesrat ein konkursrechtliches Sanierungsverfahren einführen bei Personen, die kein Einkommen haben und für deren Schuldenerlass keine Gläubigermehrheit gefunden werden kann. Das Verfahren teilt sich in zwei Phasen. Während der ersten vier Jahre muss die verschuldete Person alle verfügbaren Mittel den Gläubigern abgeben und sich bemühen, ein Einkommen zu erzielen. Danach wird er von allen weiteren offenen Forderungen befreit.

Verbände forderten schon lange Verbesserungen für Schuldiger

Diese Vorgehen entspricht laut Bundesrat einer «wesentlichen Veränderung» zum heutigen Konkursrecht. Um Missbrauch vorzubeugen, schlägt er eine Sperre von 15 Jahren vor. Das bedeutet, dass in dieser Zeit höchstens ein Schuldenerlass für Private möglich ist.

Mit den Änderungen erfüllt der Bundesrat entsprechende Vorstösse aus dem Parlament. Diese wurden unterstützt von Verbänden, die schon seit Jahren vor den negativen Folgen der Schuldenfalle warnen. «Die Dauerverschuldung hat für die Betroffenen und ihre Familien oft gravierende Konsequenzen», schrieb etwa die Caritas anlässlich eines bundesrätlichen Berichts zum Thema vor zwei Jahren. Negative Auswirkungen auf die Gesundheit und der Ausschluss vom Gesell­schafts- und Wirtschaftsleben seien sehr häufig.

Abgesehen von den Folgen auf individueller Ebene erhofft sich der Bundesrat auch volkswirtschaftliche Vorteile des Schuldenerlasses. «Die Möglichkeit, dereinst wieder schuldenfrei leben zu können, bietet einen Anreiz, sich rasch wirtschaftlich zu erholen und verhindert ein Abrutschen oder Verharren in der Sozialhilfe», heisst es in der Mitteilung.