Eine externe Untersuchung widerspricht Berichten über systematische Gewalt in den Bundesasylzentren. Die Ausbildung des Personals soll aber verbessert und disziplinarische Massnamen überprüft werden.
Schläge, Zwang und Isolation, gar Folter: Die Vorwürfe, die verschiedene Medien und Organisationen jüngst gegen das Staatssekretariat für Migration (SEM) erhoben, wiegen schwer. In den Bundesasylzentren soll das Sicherheitspersonal regelmässig Gewalt anwenden und Protokolle beschönigen. Ein am Montag publizierter Untersuchungsbericht im Auftrag der Behörde widerspricht dem nun. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Rechte von Asylsuchenden in den Bundesasylzentren systematisch missachtet werden», heisst es in einer Mitteilung.
Konkret untersucht hat der zuständige alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer sieben Vorfälle, in denen Gewalt angewendet wurde. Gemäss Mitteilung des SEM kam Oberholzer zum Schluss, dass nur in drei dieser Fälle «unverhältnismässig und eventuell auch rechtswidrig» auf einen Konflikt reagiert worden sei. In drei weiteren Fällen sei der angewendete Zwang verhältnismässig gewesen und einem Fall sei die Situation unklar. Dies sei in Verhältnis zu setzen mit der Gesamtzahl von Einsätzen, welche die 700 Sicherheitsmitarbeitenden leisteten.
Generell hätten die Eskalationen in den Bundesasylzentren in letzter Zeit abgenommen, heisst es weiter. Grund dafür sollen bereits eingeleitete Massnahmen sein. Dazu zählen der Einsatz von Personen, die Konflikte präventiv angehen und die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdestelle. Zudem habe die Coronapandemie zu Beginn zu mehr Konflikten geführt.
Trotz des Befunds gehen aus dem Bericht einige Empfehlungen hervor, wie das SEM die Sicherheit in den Asylzentren noch verbessern könnte, etwa bei der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden im Sicherheitsdienst. Kritisiert wurde von Medien und NGO nämlich auch, dass das Personal privater Sicherheitsfirmen nicht genügend geschult sei im Umgang mit Geflüchteten. Oberholzer empfiehlt dem SEM, wichtige Positionen in den Bundesasylzentren nicht mit privaten Sicherheitsleuten zu besetzen, sondern von «polizeilich ausgebildeten eigenen Mitarbeitenden».
Auf dem Prüfstand steht offenbar auch der «Besinnungsraum», in dem Asylsuchende für eine Zeit lang isoliert werden, wenn es zu grösseren Problemen kommt. Der Einsatz der Besinnungsräume solle genauer geregelt werden, schlägt Oberholzer vor. «Es muss sichergestellt sein, dass die Besinnungsräume ausschliesslich in Notsituationen und nach Avisierung der Polizei eingesetzt werden», heisst es in der Mitteilung des SEM. Schliesslich soll auch die Rapportierung von Vorfällen verbessert werden.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Schweiz begrüsst diese Vorschläge zwar, sie gehen ihr aber zu wenig weit, wie sie am Montag in einer Mitteilung schreibt. Eine Vertretung der Behörden soll dafür schauen, dass die Menschenrechte in den Bundesasylzentren eingehalten werden. Auch rassistische Vorurteile von Sicherheitskräften gelte es anzugehen. «Ziel muss es sein, dass solche Sonderuntersuchungen künftig nicht mehr nötig sind.»
Amnesty selbst hat im Mai einen Bericht veröffentlich, in dem die Organisation in mehreren Fällen Missstände dokumentiert. Die Gewalt an Asylsuchenden sei teils so schwerwiegend, dass sie in einzelnen Fällen den Tatbestand der Folter erfüllen könnte, schreibt Amnesty. Die Organisation hält trotz des neuen Untersuchungsberichts an dieser Einschätzung fest.