Grossbritannien
«Komplette Katastrophe»: Britische Flughäfen platzen aus allen Nähten

Die Briten sind in Reisestimmung. Doch nach massivem Personalabbau während der Pandemie sind die Flughäfen dem Ansturm nicht gewachsen. Die Folgen: Ein Chaos gigantischen Ausmasses – und ein Airline-Chef, der nun die Armee fordert.

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«Pilot ruft Polizei, um zahlreiche Passagiere aus dem Flugzeug zu befreien», stand am Dienstag, 31. Mai 2022 in der britischen Boulevardzeitungen «Daily Mail». Es war nur eine Meldung von vielen, die das Chaos an den britischen Flughäfen beschreibt, das dort gerade herrscht. Aber diese Meldung beschrieb es ziemlich eindrücklich.

Aber von Anfang an: Bereits Tage vor jenem Dienstag kam es an grossen Flughäfen wie Manchester, Dublin und London zu riesigen Warteschlangen vor dem Check-in, bei den Gepäckaufgaben und Sicherheitskontrollen. Reisende warteten teils zwischen drei bis sieben Stunden, bis sie ihr Gate erreichten. Hunderte von Passagieren schafften es deshalb nicht pünktlich auf ihren Flieger. Die Bilder sind ein eindrückliches Zeugnis dieses Chaos-Wochenendes:

Eine Reisegruppe, die von Manchester nach Teneriffa reisen wollte, bekam Wind von dem herrschenden Reisechaos, welches sich in den vergangenen Tagen an britischen Flughäfen abspielte. Sie planten fürs Check-in sowie für die Gepäckabgabe und Sicherheitskontrollen genügend Zeit ein.

Alle Passagiere schafften es auf den Flieger. Diese Hürde war also gemeistert. Die Ferien können losgehen! Eigentlich.

Doch dann kam da noch etwas dazwischen. Denn im Flieger ging die Warterei weiter. Rund drei Stunden mussten die Passagiere mitten auf dem Rollfeld ausharren – ohne dass sich das Flugzeug nur einen Millimeter bewegte.

Und dann verschwand plötzlich auch noch die ganze Besatzungscrew.

Durch die Sprechanlage erfuhren die Reisenden, dass ihr Flug möglicherweise gestrichen werde. Grund: Das Bodenpersonal habe zu viel Zeit benötigt, um das Gepäck zu verladen. Die Besatzungscrew hatte das Flugzeug mittlerweile verlassen. Nur noch der Pilot und die Passagiere sassen auf ihren Stühlen. Damit die Passagiere das Flugzeug verlassen konnte, kontaktierte dieser die Polizei. Die Reisegruppe wartete daraufhin weitere drei Stunden, bis die Polizei sie aus dem Flieger «befreite».

Nicht nur für die «Daily Mail» war das eine grosse Story. Denn sie zeigt das ganze Ausmass des Reisechaos.

Für die Reisenden blieb Teneriffa erst mal ein Traum – aber immerhin nur für eine Nacht. Der Flug wurde auf den nächsten Tag verschoben und die Reisenden erhielten eine Hotelübernachtung als Entschädigung.

Doch das Problem wird sich in den kommenden Wochen wohl noch verschärfen. Die Hochsaison ist noch gar nicht angelaufen.

Armee soll Flugpersonal unter die Arme greifen

Dies ist auch Rynairchef Michael O’Leary bewusst. Für ihn ist deshalb klar: Es braucht nun schnellstmöglich eine Lösung. Der irische Geschäftsmann hat auch schon einen Vorschlag, wie man das Chaos bewältigen könnte: mit britischen Streitkräften.

Statt den Flughafen und die Fluggesellschaften zu kritisierten, könnte die Regierung die Armee aufbieten, schlägt O’Leary vor. Die Soldaten könnten an Wochenenden an diversen Flughäfen aushelfen. «Die Armee hinzuzuziehen, wie sie es an vielen anderen europäischen Flughäfen tut, würde die Flughäfen auf einen Schlag entlasten.»

Dabei rät der Chef der Billigfluggesellschaft nicht zu einmaligen Aktion, sondern gleich einen Einsatz von mehreren Monaten. Ideal sei es, wenn die Soldaten dem Flugpersonal bis Ende der Sommerferien im September unter die Arme greifen könnten.

Verkehrsministerium erteilt Absage

Beim britischen Verkehrsministerium stösst sein Vorschlag auf wenig fruchtbaren Boden: «Es ist Sache der Betreiber, sicherzustellen, dass Flughäfen und Fluggesellschaften angemessen mit Personal ausgestattet sind».

Nicht abgeneigt von der Idee ist die Verkehrssprecherin Sarah Olney: «Die chaotischen Szenen an den Flughäfen waren eine komplette Katastrophe. Die Armee einzubeziehen, um die Dinge wieder in Gang zu bringen, wäre daher eine gute Idee.» Das letzte Wort ist bestimmt noch nicht gesprochen. (cst / Watson.ch)