Am 15. Mai stimmt die Schweizer Bevölkerung darüber ab, ob die Schweiz den Ausbau der EU-Grenzschutzbehörde Frontex finanziell mittragen soll oder nicht. Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter befürwortet die Vorlage, SP-Nationalrätin Franziska Roth lehnt sie ab.
Eine Isolation der Schweiz wird das Resultat der ideologischen Front von SVP, SP und Grünen gegen Frontex sein. Jenseits der realen Herausforderungen bekämpft die Réduit-Allianz das bewährte Frontex-Modell zur Sicherung der europäischen Aussengrenzen.
Ein Frontex-Nein führt zum automatischen Ausschluss der Schweiz vom europäischen Visa- und Asyl-Raum Schengen/Dublin. Fahrlässig setzt die unheilige Allianz beim europäischen Aussengrenzschutz dennoch auf einen schweizerischen Sonderstatus. Eine Fantasie jenseits jeder politischen Wahrscheinlichkeit. Dagegen sprechen die Kriegssituation, unser bröckelndes Verhältnis zur EU und die Tatsache, dass die Schengen/Dublin-Staaten einen Sonderweg der Schweiz einstimmig akzeptieren müssten.
Frontex-Aufgaben sind, die EU-Aussengrenzen zu sichern, aber auch Flüchtlinge zu empfangen. Im Ukraine-Krieg fällt beides zusammen. Unser humanitäres Selbstverständnis verlangt, einen Beitrag beim Schützen und Helfen zu leisten. Das heisst, dass wir Frontex künftig stärker mitfinanzieren. Tun wir das nicht, ist das ein unsolidarischer Akt gegenüber Europa.
Ein Frontex-Nein koppelt die Schweiz von der europäischen Personenfreizügigkeit ab, was auch dem Wirtschaftsraum schwer schadet. Der Wegfall von Schengen/Dublin würde die Schweiz «mehrere Milliarden pro Jahr kosten», schrieb der Bundesrat am 7. März auf eine entsprechende Frage von mir im Nationalrat.
Unverantwortlich ist es, wenn SVP, SP und Grüne diese Nachteile in Kauf nehmen. Wirtschaftlich trüben sich die Aussichten – es drohen höchst ungewisse Zeiten wegen des Kriegs und den Folgen von Corona. Da kochen die Pol-Parteien und Grüne eine unverdauliche Ideologiesuppe. Mit verantwortungsvoller und solidarischer Politik hat das nichts zu tun. Ein Frontex-Nein ist für die Schweiz Risiko pur – politisch und wirtschaftlich. Ein Ja zu Frontex ist die Voraussetzung für Sicherheit, Stabilität und Solidarität in einer geopolitisch äusserst schwierigen Zeit.
Worum geht es bei der Frontex-Abstimmung? Die Schweiz soll sich an der Schengen-Weiterentwicklung beteiligen und knapp 50 Millionen Franken mehr sowie zusätzliches Personal für Frontex bereitstellen. Auf den ersten Blick meint man, es handle sich um eine EU-Vorlage. Auf den zweiten sieht man, dass es um die Sicherheit von Menschen in Not geht und darum, dass die Schweiz für diese keine legalen Fluchtwege bereitstellen will.
Mehr Geld sprechen, ohne sich dafür stark zu machen, dass Menschen ihr Recht auf den Schutz ihres Lebens wahrnehmen können und dass sie nicht ihr Leben im Mittelmeer riskieren müssen, ist der humanitären Tradition der Schweiz unwürdig. Im Parlament kämpften wir für eine Verbesserung des Asylgesetzes und für einen Kompromiss. Wir forderten die Wiederaufnahme des Botschaftsasyls und dass die Schweiz mehr Flüchtlinge über das UNHCR Resettlement-Programm aufnimmt, damit legale Fluchtwege in die Schweiz geschaffen werden. Die Forderungen wurden abgeschmettert.
Es braucht ein Nein, um humanitäre Verbesserungen in einer neuen Auflage einbauen zu können. Die Behauptung des Bundesrats, die Schweiz werde von Schengen-Dublin abgekoppelt, weil wir bei einer Zusatzrunde zu spät sind, ist Abstimmungspropaganda. Der Bundesrat weiss haargenau, dass EU und Schengen-Staaten kein Interesse an einem Sicherheitsloch mitten in Europa haben. Diese kennen die Schweizer Prozesse. Bereits sieben Mal haben uns die Partner eine Fristüberschreitung zugestanden – es gab nie Diskussionen zu einem Austritt der Schweiz aus Schengen.
Bei einem Nein besteht laut Assoziierungsabkommen kein Kündigungs-Automatismus. Der Bundesrat müsste der EU aktiv mitteilen, dass wir die Vorlage nicht umsetzen. Dies wird er nicht tun. Stattdessen wird rasch eine neue Frontex-Vorlage ausgearbeitet, die humanitäre flankierende Massnahmen enthält, so wie es Daniel Jositsch in der parlamentarischen Initiative fordert. Mit einem Nein können wir legale Fluchtrouten für Menschen in Not schaffen.