Eine konstruktive und pragmatische Politik wäre für die Schweiz als Ganzes zu wünschen. Leider steuert sie im Moment auf das Gegenteil zu. Doch das zielführende Mittel in der Schweiz war nie der grosse Wurf, sondern der fein austarierte Kompromiss.
Germanist Peter von Matt hat nach den Wahlen vom letzten Sonntag vom «Luftschutzkeller-Syndrom» gesprochen: Wenn die Schweizer sich bedroht fühlen, dann suchen sie Schutz und wählen jene, die mit einfachen und eindeutigen Antworten sagen: «Bei uns bist Du beschützt.» Das Problem ist nur: Die Zukunft kann nicht im Luftschutzkeller liegen. Sie liegt draussen, vor der Tür.
Wenn nun aber die Schweizer den Luftschutzkeller, die simplen Antworten, den Holzschnitt wählen – was bedeutet das für jene, die letzten Sonntag verloren haben? Was bedeutet es für die städtische Schweiz, wo, wie in Basel, SP und Liberale die Wahlen gewonnen haben? Sollen sie jetzt auch Keller bauen und sich in Holzschnitten ausdrücken? In Holzschnitten, die einfach etwas anders gefärbt sind, rot und blau statt grün mit Sonne? Und in der Region Basel – sollen sich Stadt und Land tatsächlich in Schützengräben zurückziehen? Das Land kürzt bei Uni und Kultur und schadet damit der Stadt, die Stadt antwortet mit Retorsionsmassnahmen – ist das der Weg?
In der Region Basel liegt seit Freitagvormittag ein Lösungsvorschlag der beiden Regierungen auf dem Tisch: Statt dass der Landkanton die Beiträge an die Stadt um 30 Millionen Franken kürzt und mit dieser Reduktion um 25 Millionen bei der Universität und 5 Millionen bei der Kultur grossen Flurschaden anrichtet, nützt der Kanton Basel-Stadt seine gute Finanzlage aus und greift dem Landkanton unter die Arme. Vier Jahre lang bezahlen die Städter 20 Millionen Franken ans Land, dafür bleibt bei Kultur und Uni alles, wie es ist. Statt sich effektvoll auf die Brust zu trommeln und auf Gegenangriff zu machen, hat die Stadt eine Lösung gesucht, die in zweierlei Beziehung vorbildhaft ist für die ganze Schweiz: Die Lösung ist pragmatisch, und sie ist konstruktiv.
Es wäre viel effektvoller gewesen, den Nahkampf mit dem Landkanton aufzunehmen. Es hätte hüben und drüben mehr Stimmen gebracht – aber sicher keine Lösung ohne massiven Flurschaden in der Stadt. Die 20 Millionen Franken pro Jahr sind deshalb gut investiertes Geld. Die Stadt kann sich die Zahlung leisten, weil sie finanziell (noch) besser dasteht als gedacht. Jetzt ist nur zu hoffen, dass sich das Parlament dem exekutiven Pragmatismus anschliesst und nicht doch noch auf Brusttrommeln macht.
Eine konstruktive und pragmatische Politik wäre auch der Schweiz als Ganzes zu wünschen. Leider steuert sie aufs Gegenteil zu. Dabei ist die Schweiz die Inkorporation des vernünftigen Kompromisses: Unser ganzes politisches System ist darauf aufgebaut. Wir funktionieren nicht mit Regierung und Opposition, sondern mit All-Parteien-Regierung und Konkordanz. Das zielführende Mittel in der Schweiz war nie der grosse Wurf, sondern der fein austarierte Kompromiss.
Politik mit Bleistift und Radiergummi
In der Schweiz führt nicht Holzschnitt-Politik zum Ziel, sondern Politik mit Bleistift-Skizzen, die immer wieder revidiert werden. Das ist weniger spektakulär als der Holzschnitt, die leisen Töne führen aber oft schneller zum Ziel, weil sie differenzierter sind und weniger Gegenwehr provozieren. Lautstärke erzielt Effekt, nicht Wirkung. Leider wird das heute zu oft verwechselt. Oder mit anderen Worten gesagt: Der Kampf für die Freiheit ist immer einfacher (und heroischer) als die Beantwortung der Frage, was mit ihr anzufangen sei.
Was heisst das für die städtische Schweiz, für die Basler Wahlsieger SP und Liberale? Hütet Euch vor Megafon und Holzschnitt. Eure Politik sei pragmatisch und konstruktiv. Die Stadt darf selbstbewusst sein, aber nicht arrogant, bestimmt, aber nicht bestimmend. Einen eigenen «Bunker» zu bauen, wie Peter von Matt schreibt, mit eigenen einfachen und eindeutigen Antworten, ist kein Ausweg aus dem Luftschutzkeller-Syndrom. Zielführender ist es, vor den Bunkern der anderen ein paar Blumen zu pflanzen. Und sich pragmatische, konstruktive Lösungen auszudenken, wie es der Kanton Basel-Stadt jetzt im Kultur- und Unistreit mit Baselland gemacht hat.