Gastkommentar
Stromlücken: Wind und Sonne reichen nicht

Der Atomausstieg könne nicht funktionieren, findet Lukas Weber. Der Ingenieur war Teil des Referendumskomitees der Energiestrategie 2050.

Lukas Weber
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Geht es nicht ohne Atomstrom?

Geht es nicht ohne Atomstrom?

Ennio Leanza / KEYSTONE

Unser Land steuert auf eine Stromlücke zu. Die Erkenntnis kommt allerdings nicht überraschend. Der Atomausstieg, den der Bundesrat 2011 beschlossen hat und dem das Volk 2017 seinen Segen gegeben hat, kann nicht funktionieren. 40 Prozent der Stromproduktion aus Schweizer Kernkraftwerken im Wesentlichen durch Sonne-, Wind- und Erdwärmeanlagen zu ersetzen, kann nicht aufgehen.

Es nützt heute wenig, wenn diejenigen, die damals widersprochen haben – einige FDP-Politiker, die SVP, die Verbände der Pharma- und Maschinenindustrie und verschiedene Komitees – sich damit begnügen, es «schon immer gesagt» zu haben. Die sich jetzt durchsetzende Einsicht, dass die vom Bund lancierte «Energiewende» nicht funktionieren wird, eröffnet Möglichkeiten für neue Erkenntnisse, neue Handlungsoptionen und neue Pläne. Wir brauchen sie.

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Politikwechsel den gewünschten Erfolg bringt und unser Land wieder eine Stromversorgung hat, die eine Stromlücke verhindert und das Ziel verfolgt, das Gemeinwohl langfristig zu fördern?

Erstens: Es muss genügend Kraftwerke in der Schweiz geben (auf Stromimporte ist kein Verlass). Die Energiestrategie 2050 versprach, dass nach dem Atomausstieg nicht mehr Strom importiert werden müsse als davor. Der grösste Irrtum war jedoch, dass die Kernenergie durch nicht steuerbare und starken natürlichen Schwankungen unterworfene Sonnen- und Windenergie ersetzt werden könne.

Die Stromnetze haben heute zunehmend Schwierigkeiten, dann Strom zu liefern, wenn die Konsumenten ihn brauchen, und Strom «loszuwerden», wenn er wegen der Tageszeit und des Wetters gerade im Überfluss produziert wird. Laut dem Forschungszentrum PSI bräuchte die Schweiz für eine Stromversorgung mit einem hohen Anteil an Sonnen- und Windenergie ungefähr das Fünfzigfache ihrer heutigen Speicherseen.

Zweitens: Die Energieversorgung muss günstig bleiben. Ein Blick auf die Lebensverhältnisse vor gerade einmal hundert Jahren zeigt, was für ein Segen günstige Energie für die Menschheit ist. Steigen die Strompreise so stark an wie im Energiewende-Vorzeigeland Deutschland, nämlich um 50 Prozent (von rund 20 auf rund 30 Cent pro Kilowattstunde und neuerdings auch mit allgemeinen Steuermitteln subventioniert), dann geht es schnell ans Eingemachte – zunächst für Geringverdiener, dann für alle übrigen.

Drittens: Die Stromversorgung muss effizient erbracht werden, nur so ist eine Versorgung in der Grössenordnung von heute zu vernünftigen Preisen überhaupt möglich. Das bedeutet eine Versorgung mit vergleichsweise wenigen Grosskraftwerken, die das Stromnetz stabil halten, und ein fächerförmiges Netz zur kostengünstigen Feinverteilung.

Viertens: Die Hauptverantwortung für die Stromversorgung soll bei betriebswirtschaftlich rechnenden Unternehmen bleiben, denn sie sind der natürliche Garant für kostengünstige und kundenfreundliche Lösungen. Gleichzeitig muss der aktuelle rechtliche Rahmen von Investitionserleichterungen und -erschwernissen für die Stromversorgung (Verbote, energiebezogene Steuern, Abgaben und Subventionen) neu eingestellt werden.

Diese vier Bedingungen sind die tragenden Säulen einer Stromversorgung, welche die Schweiz bis zum Beginn einer «Energiewende» Ende der 1980er-Jahre getragen haben. Sie bedeuten nicht, dass Veränderungen aufgrund des technischen Fortschritts, neuer Nutzanwendungen oder veränderter menschlicher Bedürfnisse keinen Platz haben. Sie sollen helfen, das Grundlegende vom Aufgepfropften zu unterscheiden und legitime Ziele im Sinne der Förderung der allgemeinen Wohlfahrt von Partikularinteressen, sei es der Atomwirtschaft oder der grünen Industrie, zu trennen. Alle Kräfte, die das wollen, müssen ihren Beitrag leisten können.

Lukas Weber ist Ingenieur, Publizist, Unternehmensberater und war Teil des Referendumskomitees der Energiestrategie 2050.