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In seinem Wochenkommentar über die Absturzserie bei der Schweizer Luftwaffe schreibt az-Chefredaktor Christian Dorer: «Damit der Mensch optimal funktioniert, braucht er die richtige Umgebung.»
2016 geht als schwarzes Jahr in die Geschichte der Luftwaffe ein:
Drei schwere Unfälle innert dreieinhalb Monaten, und auch über einen etwas längeren Zeitraum betrachtet häufen sich die Unfälle, zumindest bei den F/A-18:
Die 34 Kampfjets wurden 1997 in Betrieb genommen. Vier stürzten seither ab – je einer 1998, 2013, 2015 und 2016. Interessant ist ein Vergleich zu den Hunter-Kampfjets, die von 1958 bis 1994 im Einsatz standen. Von 160 Huntern stürzten innert 36 Betriebsjahren 28 Stück ab. Das sieht auf den ersten Blick nach enorm viel aus. Von 34 F/A aber stürzten innert 19 Jahren 4 Stück ab – was eine deutlich schlechtere Quote ist, trotz riesigen technischen Fortschritten.
Jeder Unfall mit Toten ist zuallererst tragisch für die Angehörigen, für die Kameraden und ja: für die Schweiz. Schliesslich fliegen die Piloten für die Sicherheit des Landes. Spekulationen über Ursachen sind heikel. Trotzdem wird jetzt etwas gar voreilig gesagt: Die vielen Unfälle seien Zufall, Muster nicht erkennbar.
Das ist zu einfach. Vielmehr sollte die Armee dringend der Frage nachgehen, ob eben nicht doch irgendwo der Wurm drinsteckt. Ausbildungskonzepte, Sicherheitsvorschriften, alles Messbare wird wohl in Ordnung sein. Doch es gibt die Ebene jenseits von Reglementen: Damit der Mensch optimal funktioniert, braucht er die richtige Umgebung; die besten Leistungen erbringt, wer sich voll auf seine Aufgabe konzentrieren kann und
befreit ist von Ärger, Unsicherheit, Angst und anderen lähmenden Empfindungen.
Keine Fussballmannschaft wird erfolgreich sein, wenn die Gedanken der Spieler nicht unbelastet sind. Darum ist so entscheidend, dass es dem Trainer gelingt, alle Nebengeräusche auszuschalten und die richtige Chemie zu schaffen. Kein Unternehmen bringt es an die Spitze, wenn die Angestellten nicht gerne und viel arbeiten, Visionen und Ehrgeiz entwickeln, ihre ganze Schaffenskraft einbringen. Darum bietet Google seinen Mitarbeitern ein Rundum-Wohlfühlprogramm mit kostenlosem Essen, Sportclub, Massagen, Freizeitprogramm.
Können die Mitarbeiter der Luftwaffe ihren Job machen, wie sie müssten? Konzentriert, motiviert, frei von Intrigen, Zukunftsangst, personellen Turbulenzen? Haben sie Chefs, die Ärger von ihren Leuten fernhalten? Denn Ärger und Unsicherheiten gibt es nicht zu knapp:
Versuche, Unfälle politisch auszuschlachten, sind unappetitlich. Trotzdem geschieht es. Bürgerliche fordern nach jedem Absturz eine schnellere Beschaffung von neuen Flugzeuges – als ob der Verlust eines Jets für diese strategische Frage entscheidend wäre. Die Linke fordert die Stilllegung der Flotte, weil das sicherer sei. Das eine ist opportunistisch, das andere zynisch. Was es wirklich braucht, ist eine vertiefte Untersuchung, ob die Mitarbeitenden de Luftwaffe ihren Job so machen können, wie sie müssten.