WEF 2017
Verkehrte Welt?

Patrik Müller
Patrik Müller
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Chinas Staatspräsident Xi Jinping spricht fordert in Davos mehr Freihandel.

Chinas Staatspräsident Xi Jinping spricht fordert in Davos mehr Freihandel.

KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Willkommen in der politischen Realität des Jahres 2017: Am Dienstag hat in Davos der chinesische Staatspräsident Xi Jinping ein Plädoyer für Freihandel und Globalisierung abgelegt. Gleichentags warnte, ebenfalls in Davos, ein hochrangiger Vertreter des künftigen US-Präsidenten Donald Trump vor Freihandelsabkommen, die den amerikanischen Mittelstand “aushöhlen” würden. In London wiederum kündigte die britische Premierministerin Theresa May einen “harten Brexit” an: Grossbritannien nimmt Abschied vom EU-Binnenmarkt und vom freien Personenverkehr.
Die chinesischen Kommunisten geben sich als Retter der freien Märkte, derweil die angelsächsischen Kapitalisten diese einschränken wollen. Verkehrte Welt? Vorerst geht es vor allem um Rhetorik. Der schlaue chinesische Präsident nutzt die Gunst der Stunde, um sich vor der WEF-Elite als liberaler Reformer zu gebärden, der er natürlich nicht ist. Sein System bleibt autoritär. Viel Rhetorik auch bei Trump und May: Unter dem Druck eines wütenden Wahlvolks, das die Vorteile der Globalisierung nicht mehr spürt, machen sie vollmundige Ankündigungen, deren Umsetzung abzuwarten bleibt.
Wer Trumps Berater in Davos zuhörte, bekam den Eindruck: Der künftige Präsident will eher mehr als weniger Freihandel - aber mit Spielregeln, von denen die USA profitieren. Auch Theresa May will keine Abschottung, sondern einen “massgeschneiderten” Marktzugang. Abschied vom Kapitalismus? Nein, bessere "Deals" - das wollen Trump wie May.