Seit Montag ist die internationale Klimagemeinschaft in Bonn versammelt. Geschätzte 25 000 Verhandler, Experten und Beobachter tauschen sich aus und feilen an der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Gemeinsam versuchen sie die Rahmenbedingungen zu schaffen für eine Klimaerwärmung unter 2 Grad Celsius. Als Vertragspartei des Pariser Abkommens hat auch die Schweiz ein nationales Klimaziel (NDC) eingereicht. Sie hat angekündigt, ihre Emissionen bis 2030 zu halbieren. Das scheint ein ambitioniertes Ziel, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Schweiz 2015 für lediglich 0,1 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich war.
In einem neuen «foraus-Policy-Brief» legen wir dar, wieso die Verantwortung der Schweiz grösser ist, als es die 0,1 Prozent suggerieren würden, und wie die Schweiz in der internationalen Klimapolitik einen Beitrag leisten kann, um ihre Pflicht zu erfüllen.
Die Datengrundlage für das formulierte Klimaziel basiert auf dem sogenannten nationalen Treibhausgasinventar. Darin werden alle in der Schweiz produzierten Emissionen nach Sektoren aufgelistet. Das Problem: Etwa 15 Prozent der Schweizer Emissionen fallen auf den internationalen Flugverkehr. Analog zum internationalen Schiffsverkehr werden diese Emissionen (sogenannte «Bunker Fuels») gemäss internationalen Standards zwar erfasst, aber nicht zu den nationalen Emissionen gezählt. Erscheint eine Position nicht in der Statistik, so wird über die Verringerung der Emissionen dieser Position auch nicht verhandelt.
Klimawirksame Gase gibt es viele. Sie vergleichbar zu machen ist eine grosse Herausforderung. Vereinfacht erklärt geschieht das momentan so: Für jedes einzelne Gas wird der Erwärmungseffekt über 100 Jahren errechnet. Gase, die kurzfristig (z. B. in den nächsten 20 Jahren) einen sehr grossen Erwärmungseffekt haben, werden so verharmlost. Für die Erreichung des 2-Grad-Ziels ist aber vor allem die Umsetzung von Massnahmen bis 2050 relevant. Diese kurzfristige Dringlichkeit wird in den aktuellen Statistiken zu wenig abgebildet.
Emissionen werden aktuell dem Land angerechnet, welches diese ausstösst. Die Emissionen für ein in Bangladesch produziertes T-Shirt, das in der Schweiz gekauft wird, werden also bei Bangladesch gezählt. Eine solche klare Aufteilung verhindert, dass Emissionen doppelt gezählt werden, und ist demzufolge wichtig. Sie kaschiert aber auch einen Teil der Verantwortung. Würden Emissionen von importierten Gütern mitgezählt, so verdoppelten sich für Länder wie die Schweiz die Emissionen in etwa. Diese Perspektive ebenfalls abzubilden und die Ziele entsprechend zu formulieren, wäre demnach ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz.
Die Schweizer Delegation setzt sich an der diesjährigen Konferenz aktiv dafür ein, dass die Klimaziele und das -Reporting der einzelnen Länder transparent und somit vergleichbar werden. Konsequenterweise sollte sie gleichzeitig bemüht sein, ihre eigenen Klimaziele nicht nur transparent, sondern auch auf einer umfassenden Basis zu formulieren. Die Klimaziele für die erste Umsetzungsperiode sind eingereicht. Das Pariser Abkommen sieht vor, dass 2020, fünf Jahre nach Paris, neue und ambitionierter Ziele eingereicht werden. Deshalb fordern wir von der Schweiz, dass sie 2020 ein revidiertes Ziel einreicht, in dem «Bunker Fuels» ausgewiesen werden, kurzfristige Klimaeffekte berücksichtigt werden und für die Berechnung der Emissionen nicht nur die Produktions-, sondern auch die Konsumperspektive betrachtet wird.
Diese Aufgabe ist alles andere als trivial. Auch in der Schweiz muss dazu zuerst eine Datengrundlage und die Analysekompetenz aufgebaut werden. Die Schweiz sollte deshalb andere Länder in deren Erarbeitung eines umfassenderen Klimaziels unterstützen. Um die gesamte Klimakonferenz im Lichte dieser höheren Ambitionen zu gestalten, könnte sich die Schweiz für die Durchführung der COP26 im Jahr 2020 in Genf bewerben. Ihr diplomatisches Geschick und Organisationstalent wären Gold wert für ambitionierte, transparente und umfassende Klimaziele.
Holen wir die Klimakonferenz also nach Genf und setzen uns für eine ambitionierte Umsetzung des Pariser Abkommens ein. Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssen die globalen Emissionen sinken. Die Zeit dazu drängt.