Kommentar
So überstehen wir den Corona-Marathon kaum: Mangelnde Datenlage beim Bundesamt für Gesundheit

Im Kampf gegen Corona fehlen in der Schweiz wichtige Kennzahlen wie beispielsweise die Anzahl der hospitalisierten Covid-19-Patienten. Das federführende Bundesamt für Gesundheit (BAG) macht dabei keine gute Figur.

Christoph Bernet
Christoph Bernet
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BAG-Chef Pascal Strupler und Daniel Koch, der Leiter Abteilung übertragbare Krankheiten, an einem Medientermin in Bern.

BAG-Chef Pascal Strupler und Daniel Koch, der Leiter Abteilung übertragbare Krankheiten, an einem Medientermin in Bern.

Anthony Anex / KEYSTONE

«Das ist ein Marathon und kein Sprint»: Mit diesen Worten macht Gesundheitsminister Alain Berset der Bevölkerung immer wieder klar, dass der Kampf gegen das Coronavirus mehr ist als eine kurze Pause im Alltagstrott. Die Einschränkungen dürften noch länger in Kraft bleiben. Sie sind nötig: Es gilt, den Kollaps des Gesundheitswesens zu verhindern, Menschenleben zu retten.

Wenn eine Regierung in einem demokratischen Rechtsstaat über Wochen, wenn nicht Monate, dermassen weitreichende Massnahmen ergreift – Grundrechte einschränkt, Betriebe zwangsschliesst – muss sie die Gründe aber nachvollziehbar darlegen. Die Bevölkerung muss aktuell und umfassend über die Verbreitung der Krankheit informiert werden. Nur, wenn sie die Entscheidungsgrundlage der Regierung kennt, wird sie den Marathon mitlaufen.

Leider macht das federführende Bundesamt für Gesundheit (BAG) keine gute Figur. Die Gesamtschau über die Fallzahlen aus den Kantonen erfolgt verzögert – und unvollständig. Wichtige Kennzahlen wie die Anzahl der hospitalisierten Covid-19-Patienten fehlen ganz, ebenso Angaben über die Kapazitäten der Intensivstationen oder Wiedergenesene.

Gemäss dem BAG sind das dezentrale Gesundheitswesen, der Datenschutz und die sich rasch verändernde Situation dafür verantwortlich. Das ist unglaubwürdig: Ein Doktorand der Uni Bern hat in kurzer Zeit eine Website programmiert, die umfassendere Daten liefert als der Bund. Ein Blick ins Nachbarland Italien zeigt, wie wichtig es in einer aussergewöhnlichen Krisensituation ist, der Öffentlichkeit umfassende Zahlen zu liefern: Die ganze Nation sitzt gebannt vor dem Fernseher, wenn der Chef des Zivilschutzes allabendlich die Fallzahlen vermeldet – und wenn er, um Mut zu spenden, mit den Wiedergenesenen beginnt.

Auch wenn niemand mit Sicherheit sagen kann, wie lange der Marathon noch dauert: Die Behörden müssen wenigstens die Pulsuhr reparieren und umfassende Daten liefern. So kann die Bevölkerung ihre Kräfte einteilen, damit wir alle gemeinsam die Ziellinie erreichen.

Die Schweiz steht still

Die Schweiz steht still
25 Bilder
Der Mensch macht den Tieren Platz: Die verlassene Passage am HB Zürich.
Eine einzelne Frau auf Reisen: Die Rolltreppen vor der Zollkontrolle am Flughafen Zürich.
Die Check-in-Schalter sind verwaist am grössten Flughafen der Schweiz.
Gleiches gilt auch für den Bahnhof Bern. Kaum ein Mensch befindet sich in der grossen Halle um 08 Uhr am Morgen in der letzten Woche.
Auch Bars, Pubs, Restaurants und Clubs sind vom Lockdown betroffen. Sie alle mussten schliessen.
Gleiches Gilt für die Ski-Gebiete. Für sie hiess es: Saison abbrechen und zusammenpacken.
Auch der Verkehr zwischen den Grenzen kam zum Stillstand. Wie etwa hier die abgesperrte Grenze zwischen Konstanz (DE) und Kreuzlingen (CH).
Und auch andernorts gibt es kein Durchkommen mehr. Die Grenzen zu unseren Nachbarstaaten wurden grösstenteils geschlossen.
Mit Zäunen wurden die Grenzen abgeriegelt. Solche Bilder hat es bis anhin kaum je gegeben.
Jeden Tag fahren knapp 3000 Züge in den Hauptbahnhof Zürich, rund 470'000 Passagiere werden hier abgefertigt – jeden Tag. Doch seit einer Woche wurde es merklich ruhiger im «HB».
Genau so verlassen ist auch die Innenstadt von Lausanne. Die Post ist zwar noch unterwegs aber sonst sind nur noch wenige Menschen auf der Strasse.
«Bleibt zu Hause» fordert diese Statue von Freddy Mercury in Montreux die Menschen auf.
Der völlig verwaiste Bundesplatz vor dem Bundeshaus in Bern.
Und auch die Bundesterrasse wurde mit meterhohen Absperrungen geschlossen.
Entsprechend leer ist auch die Innenstadt von Bern. Kaum ein Mensch ist unterwegs in der Strasse, die sonst für einen Spaziergang sehr beliebt ist.
Komplett abgeriegelt wurde auch das Zürcher Seebecken.
Weil sich die Menschen nicht an die Empfehlungen des Bundes gehalten haben, schloss die Stadt Zürich das komplette Seebecken und mehrere Parks.
Das Resultat ist eindrücklich ...
... noch nie hat man das Zürcher Seebecken so verlassen gesehen wie hier am Sonntag, 23. März.
Noch nicht nur in Zürich wurden die Seeufer abgesperrt. Ähnliche Massnahmen wurden auch in der Westschweiz ergriffen.
Und auch in Luzern trifft man dieser Tage kaum noch Menschen an vor der sonst so gut besuchten Kapellbrücke.
Blick auf das Limmat-Ufer in Zürich am vergangenen Sonntag. Hier spazieren am Wochenende sonst tausene von Menschen.
Und auch das Zürcher Niederdorf, eine beliebte Ausgeh- und Flaniermeile, ist dieser Tage komplett verwaist.
Voll ist es dafür auf den Abstellgeleisen des HB Zürich. Hier stehen Dutzende Züge herum, die wegen des Lockdown nicht mehr genutzt werden.

Die Schweiz steht still

Keystone-SDA