Portugal ist Fussball-Europameister. Was bedeutet das für das Land – das Armenhaus der Europäischen Union? Der Kommentar.
Der Fussball als Retter? Portugal, ein Armenhaus der Europäischen Union, ist Fussball-Europameister. Fast immer, wenn ein kleines, gebeuteltes Land im Sport einen Coup landet, ist die Hoffnung auf den Aufschwung allgegenwärtig. So war es, als Griechenland 2004 Europameister geworden ist. So ist es auch jetzt in Portugal, nach dem Final-Sieg gegen Frankreich.
Bestimmt werden die feiernden Menschen auf den Strassen ihren tristen Alltag für einige Momente vergessen. Im Rausch verflüchtigen sich die Sorgen, mit 1000 Euro pro Monat oder weniger über die Runden zu kommen. Aber der Morgen kommt. Und damit auch der Kater. Und mit dem Kater die Gewissheit, dass der Fussball nicht alles verändern kann. Gewiss wird das Selbstbewusstsein, vielleicht auch das Wir-Gefühl gestärkt. Aber die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme kann der Fussball nicht eliminieren. Erst recht nicht in einem Land wie Portugal, das so tief im Schuldensumpf steckt.
Sowieso ist Portugal ein seltsamer Europameister. Aber das passt zu dieser seltsamen Europameisterschaft. Von 16 auf 24 Mannschaften aufgebläht, erwachte der Anlass erst in der K. o.-Phase aus seiner taktischen Schockstarre. Es gab durch die Aufstockung zwar ein paar putzige Exoten wie Island und Wales. Aber punkto Unterhaltungswert und spielerischem Niveau war diese Endrunde enttäuschend. Für die Uefa ist die EM mit 830 Millionen Euro Gewinn ein famoses Geschäft. Das ist es, was zählt in der europäischen Machtzentrale des Fussballs. Nur das.
Die Portugiesen sind die Nutzniesser dieser neuen EM. Als Gruppendritte wären sie in früheren Jahren ausgeschieden. Der neue Modus eröffnete ihnen aber die Chance, in sieben Spielen mit nur einem Sieg nach 90 Minuten den Titel zu gewinnen. Dabei haben sie nie künstlerisch überzeugt, geschweige denn entzückt. Nein, die Portugiesen haben ihren ersten Titelgewinn der Solidarität, dem Herzen, der Leidenschaft und natürlich ihrem Weltstar Cristiano Ronaldo zu verdanken.
Wobei ausgerechnet Ronaldo im Final schon nach sieben Minuten vom Franzosen Payet einen üblen Schlag aufs Knie bekommt und in der 25. Minute ausgewechselt werden muss. Auch das passt zu dieser komischen EM. Der Captain, der Star, die Weltmarke, der Torgarant macht sich mit dem Sieg im EM-Final, in dem er gar keine entscheidende Rolle spielt, unsterblich. Zumindest in seiner Heimat. Aber vielleicht haben Ronaldos Tränen im Stade de France in Paris für jenes Quantum Kraft und Solidarität gesorgt, das entscheidend war.