Ihre Erinnerungen an die Weihnachtstage ihrer Kindheit sind paradiesisch, schreibt unsere Kolumnistin Rosmarie Mehlin im folgenden Beitrag. Heute erlebt sie Weihnachten ganz anders - und muss in den Tagen zuvor das eine oder andere Mal schmunzeln.
Hurra – ich wohne im einbruchsichersten Ort des Aargaus! Das ist statistisch bewiesen und gilt auch für dunkle Winternächte, weil die ja gar nicht dunkel sind. Im Gegenteil: Seit Wochen machen von Giebeln, Bäumen, Büschen, Zäunen leuchtende Sterne, Ketten und Girlanden die Nächte zum Tag. Es scheint mir, Jahr für Jahr werde ein bisschen mehr aufgerüstet. Wozu haben wir im Zurzibiet schliesslich drei KKW? Und wer lässt sich das «Es weihnachtet sehr»-Gefühl schon von einer drohenden Stromknappheit vermiesen?
Numme no vier Mol schlofe. . . Wie intensiv hatte ich doch jeweils die Nächte bis zum 24. gezählt und dann die Stunden, die Minuten, bis das Christkind klingelte und die Tür endlich auf ging. Die Kerzen flackerten, die Kugeln und das Lametta glitzerten. Am besten hat mir das Engelhaar gefallen. Äh – genau genommen am zweitbesten, denn da waren ja auch noch all die Päckli ...
Heute gehöre ich zu den (ebenfalls statistisch erfassten) 56 Prozent der über 65-Jährigen, die auf einen Weihnachtsbaum verzichten. Vor allem hat es bei uns rein praktische, nämlich vierbeinige Gründe, hatten sich doch Hund und Katz als nicht kompatibel mit einer geschmückten Tanne erwiesen. Aber ein bisschen hat es schon auch mit dem «... doch wenn man älter wird, ein wenig kälter wird, bleibt allein nur der Wein» zu tun.
Ist ja auch nicht schlecht, dass einem der Rebensaft bleibt, und genau betrachtet gesellt sich mit Ü65 noch mehr Gutes dazu. Die Fähigkeit, sich an Kleinem zu freuen beispielsweise, die eine und andere Portion Gelassenheit und gar so mancher spitzbübische Gedanke über die Sorgen und Sörgeli der Jüngeren.
«Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem uns niemand vertreiben kann», hielt der deutsche Schriftsteller Jean Paul fest. So sind denn auch die Erinnerungen an die Weihnachtstage meiner Kindheit und Jugend paradiesisch schön. Zugegeben, es kommt auch eine gewisse Sentimentalität auf, dass ich Weihnachten heute so ganz anders erlebe. Doch es überwiegt das Schmunzeln über den offensichtlichen Hang von Zeitgenossen, ihre Begeisterung für Weihnachten mit extensiver Outdoor-Beleuchtung öffentlich zu machen und ebenso über die augenscheinlich inzwischen beinahe flächendeckende Fest-Verköstigung mit in Öl oder Fett getauchten Fleischmöckli.
Ja, Weihnachten ist ein Fest, das die Menschen in der einen oder anderen Form verbindet. Mit dem «Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen» allerdings hapert es nach wie vor bedenklich.