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Mit Urwahlen durch Parteimitglieder haben die Briten schlechte Erfahrungen. Bei den Tories kam auf diesem Weg zu Beginn des Jahrhunderts ein Rechtsaussen ans Ruder. Er erwies sich als so unfähig, dass er nach nur zweijähriger Amtszeit von der Unterhausfraktion gestürzt wurde.
Labour wählte sich zuletzt zweimal Vorsitzende gegen die Mehrheit der Fraktion. Die Folge: erst eine vernichtende Wahlniederlage, derzeit ein Schlingerkurs unter dem Linksaussen Jeremy Corbyn.
Bei all diesen Urwahlen ging es um den Oppositionsführer. Nun aber schickt sich die Regierungspartei an, den künftigen Premierminister zu krönen. Die Konservativen verfügen im Unterhaus über keine Mehrheit, zudem streiten Vertreter der diversen Flügel seit Monaten wie die Kesselflicker. Und dem zutiefst gespaltenen Land bleiben wenig mehr als vier Monate bis zum angeblich endgültigen Brexit-Termin Ende Oktober. Einigkeit hat also einen noch höheren Stellenwert als ohnehin schon.
Von Boris Johnson mag man halten, was man will. Aber der Brexit-Vorkämpfer hat am Donnerstag gegen drei andere Kandidaten die Mehrheit der Unterhausfraktion hinter sich gebracht, sein Konkurrent Jeremy Hunt geht mit der Unterstützung von 24 Prozent ins Rennen.
Die Urwahl ist also mindestens überflüssig, weil sie das Land weitere vier Wochen führungslos dastehen lässt, die doch zur Lösung des Brexit-Dilemmas dringend gebraucht würden. Die Tories sollten sich selbst und dem Land die alberne Nabelschau ersparen und sofort Johnson auf den Schild heben.