An einem Montag um 20 Uhr auf der Notfallstation des Spitals in Baden. Die Hand schmerzt. Spötter sagen: Kommt davon, wenn man erstmals mit einer Heckenschere hantiert. Aber fast schmerzhafter ist der Anblick des jungen Mannes. Fleckige Jeans, eingefallene Wangen, wirrer Blick, die Extremitäten zucken unkoordiniert. Ziemlich Junkie.
Nach einer ersten Konsultation komme ich auf die Bettenstation des Notfalls. Neben mir liegt der junge Mann, getrennt nur durch einen dünnen Vorhang. Er ist furchtbar nervös. Er will ständig etwas: Wasser, Toilette, reden, eine Zigarette, einen Schuss, was weiss ich.
Wahrscheinlich gibt es Menschen, die den jungen Mann für Abschaum halten. Für einen nichtsnutzigen Parasiten. Aber für die Schwestern – Entschuldigung, das Pflegefachpersonal – spielt der Status keine Rolle. Der junge Mann erhält mehr Aufmerksamkeit, wird vor mir behandelt und ist lange vor mir auch wieder draussen. Richtig so. Denn er braucht die Vorzugsbehandlung eher als ich. Trotzdem bleibt Irritation zurück. Was konsumieren Sie? Wie häufig pro Tag spritzen Sie? Wovon leben Sie? Wohnen Sie allein? Sind Sie HIV-positiv? Vielleicht wäre es würdevoller, diese Fragen nicht in einem Raum zu stellen, wo noch fünf andere Patienten liegen.