Startseite
Meinung
Kommentare AZ/BT
In seinem Gastkommentar schreibt Publizist und Berater Peter Hartmeier über die Verhandlungen mit der EU.
Zwei Exponenten der Schweizer Wirtschaft äusserten sich dieser Woche über ihre Wünsche an die Schweizer Verhandlungsführer in Brüssel – und sie äusserten sich diametral unterschiedlich: Der Schweizer Rolf Dörig, Präsident des Arbeitsvermittlers Adecco und von Swiss Life, zieht die Nutzen der bilateralen Verträge in Zweifel: «Man darf sie nicht über alles stellen und dafür alles akzeptieren. Wenn wir nur das Mantra der Bilateralen predigen und der EU in Bücklingshaltung entgegentreten, müssen wir die Bevölkerung ehrlich fragen: EU-Beitritt – ja oder nein? Am Schluss kommt es auf dasselbe hinaus.»
Die Angst, ein «Rahmenvertrag» und bilaterale Beziehungen würden früher oder später zu einem EU-Beitritt führen, bewog Christoph Blocher zur neuen Volksinitiative, mit der er die Personenfreizügigkeit abschaffen will. Die Schweiz, so Dörig, solle die Zuwanderung wieder selber steuern können: «Das ist legitim – nicht nur für die Schweiz. Für diese Position müssen wir uns gemeinsam einsetzen.»
Der Appell an «Gemeinsamkeit» verhallte aber rasch.
Der Konzernchef von Roche, Severin Schwan, widersprach Dörig fundamental: Eine Annahme der SVP-«Begrenzungsinitiative» bezeichnete er als «Gift für den Wirtschaftsstandort Schweiz». Ein Unternehmen wie Roche sei auf offene Grenzen angewiesen, um so Forscher in die Schweiz locken zu können.
Die Befürchtungen des seit vielen Jahren erfolgreich in der Schweiz tätigen Unternehmensführers sind offensichtlich: Wird ein Unternehmen wie Roche im Nachzug von Fachkräften eingeschränkt, werden viele unternehmerische Aktivitäten nicht mehr in der Schweiz ausgeführt. Schwan verteidigt mit dieser Argumentation in der Schweiz angesiedelte Unternehmen, die eine hohe Wertschöpfung erzielen – und sich entsprechend auf Forschung und Entwicklung abstützen. Sie sind angewiesen auf den unkomplizierten Zuzug exzellent ausgebildeter Fachkräfte aus dem Ausland.
Der Österreicher Schwan, in der Schweiz verantwortlich für 14 000 Arbeitsplätze, argumentiert ausschliesslich mit der Konkurrenzfähigkeit der Schweiz; Dörig hingegen – ganz selbstbewusster Schweizer – möchte gleich noch die ganze EU reformieren. In einem «Blick»-Interview meinte er wörtlich: «Inzwischen hat jeder erkannt, dass Brüssel an den Bedürfnissen der Menschen vorbeipolitisiert.»
Für den politischen Bürger und Arbeitnehmer stellt sich die Frage, wer die Zukunftsfähigkeit unseres Landes am nachhaltigsten verteidigt: Der Österreicher, der ausschliesslich an den Erfolg unseres Landes denkt, oder der Schweizer, der gleich auch noch die EU umstrukturieren möchte?
Die erfolgreichen Unternehmen wie Roche oder Novartis können ihre Forschungstätigkeit durchaus auch in anderen Ländern aufbauen – warum nicht in den Vereinigten Staaten, die dank ihrer Steuerreform reizvoller geworden sind?
An diesem Punkt in der Diskussion über die Konkurrenzfähigkeit unseres Landes taucht nochmals ein Basler Name auf: Die mutige sozialdemokratische Wirtschaftspolitikerin Eva Herzog, Regierungsrätin von Basel-Stadt. Sie hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie um die Kriterien internationaler Konkurrenzfähigkeit weiss: Berechenbare Rahmenbedingungen, also bilaterale Verträge mit der EU, und eine vernünftige Steuerbelastung für innovative Unternehmen. Diese Politikerin müsste sich jetzt in die Diskussion einbringen – über Europa und über möglichst sinkende Steuerbelastungen für Unternehmen.
Die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der Schweiz kommt offensichtlich aus Basel.