Der Angriff des US-Investors Daniel Loeb auf die Nestlé-Führung scheint auf den ersten Blick zeitlich geschickt abgestimmt zu sein. Der langjährige Präsident Peter Brabeck ist weg. Sein jahrzehntelanger Erfolg gab ihm die Macht, allzu aufmüpfigen Investoren übers Maul zu fahren. In der Ära Brabeck hat sich der Unternehmenswert von Nestlé verfünffacht und dabei sind die jährlichen Dividendenzahlungen in Milliardenhöhen nicht einmal eingerechnet. Gegen diesen Leistungsausweis hätte die Kritik des 55-jährigen US-Investors geradezu lächerlich ausgesehen. Unter dem Druck, schnell zählbare Resultate zu liefern, könnte sich der neue CEO Ulf Mark Schneider für Einflüsterungsversuche empfänglich erweisen.
Doch was so plausibel aussieht, ist es in Tat und Wahrheit nicht. Nestlé verfügt über viele treue Aktionäre, denen die angriffige Rhetorik eines US-HedgeFund-Managers nicht gefällt. Zwar wissen die Investoren um die nicht mehr so überzeugende Kursentwicklung ihrer Aktien. Doch sie vertrauen darauf, dass der Konzern in seiner gewohnt bedächtigen Art die nötigen Kurskorrekturen schaffen wird. Um das Vertrauen der treuen Aktionäre nicht zu gefährden, haben Marc Schneider und Neo-Präsident Paul Bulcke alles Interesse daran, keinen Anflug von Aktivismus aufkeimen zu lassen, wie ihn Loeb gerne herbeireden möchte. Dass sich Hedge-Fund-Manager an immer grössere Ziele heranmachen, ist derweil kein gutes Signal für die Börse. Das viele Geld, das die Notenbanken ins System gepumpt haben, sucht zunehmend ungeduldig nach mehr Rendite. Es ignoriert dabei das geringe Wachstum der Weltwirtschaft.