Die Analyse zu den regionalen Machtansprüchen des Irans von Artur K. Vogel.
Donald Trumps Entscheid zum Atomdeal mit dem Iran dominiert die öffentliche Debatte. Doch bei diesem Hin und Her wird ein entscheidender Aspekt vergessen: Der Iran expandiert seine Einflusssphäre auf der Arabischen Halbinsel und im Maghreb rabiat.
Der sogenannte schiitische Halbmond erstreckt sich nun vom Irak über Teile Syriens, des Libanon und des Jemen bis hin zum Atlantik: Marokko beschuldigt das iranische Mullah-Regime nämlich, den Frente Polisario zu unterstützen, die Volksfront zur Befreiung der Westsahara, welche dieses Territorium den Marokkanern entreissen will. Marokko hat deshalb, wie schon Saudi-Arabien, die diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen.
Als das Atomabkommen vor drei Jahren geschlossen wurde, blieb Israel mit seiner Kritik scheinbar ziemlich allein. Dass das komplexe, 159-seitige Abkommen auf die atomare Aufrüstung fokussierte und die regionalen Grossmachtpläne der Iraner unberücksichtigt liess, schien niemanden ausser Israel zu irritieren, obwohl Exponenten des Mullah-Regimes nicht müde werden, die Vernichtung des jüdischen Staates zu fordern.
Doch Israel war nicht ganz allein: John Kerry, US-Aussenminister unter Obama, liess in jüngster Zeit durchblicken, dass auch Saudi-Arabien und Ägypten den US-Präsidenten Obama vergeblich zu einem Angriff auf den Iran drängten. Saudi-Arabien und Israel fühlen sich gleichermassen von der iranischen Expansionsstrategie bedrängt. Die sunnitisch-salafistische Monarchie und die jüdische Demokratie haben sich in den letzten Jahren angenähert, was dadurch erleichtert wurde, dass beide «strategische Partner» der USA sind.
Wenn sich Israel in seiner Existenz bedroht fühlt, schlägt es zurück. Heute ist das Land zwar nicht mehr von Feinden umzingelt wie einst: Mit Ägypten funktioniert die Zusammenarbeit ziemlich gut, ebenso – trotz anderslautender Rhetorik – mit der Palästinenserführung in Ramallah.
Doch die Lage im Libanon eskaliert wieder: Die schiitische Hisbollah ist nicht nur politisch bei den Parlamentswahlen diese Woche gestärkt worden; sie legt auch, hochgerüstet durch den Iran, sehr rasch an Kampfkraft zu. Diese beweist sie in Syrien aufseiten des Diktators Assad. Und die Stationierung strategischer iranischer Waffen in Syrien wäre für Israel erst recht eine akute Bedrohung.
Deshalb halten viele Beobachter einen bevorstehenden Krieg zwischen Israel und dem Iran für möglich bis wahrscheinlich. Im Kleinen, nicht offen deklariert, findet dieser Krieg bereits statt: Laut der israelischen Tageszeitung «Haaretz» flog die israelische Luftwaffe seit Dezember 2017 mindestens neun Einsätze in Syrien.
Am 30. April etwa wurden iranische Basen bei den syrischen Städten Hama und Aleppo angegriffen, wobei je nach Bericht 11 bis 24 Mann einer iranischen Eliteeinheit getötet wurden. 200 ballistische Raketen explodierten laut «New York Times».
Dass dies eine israelische Operation war, ist nicht bewiesen, aber höchstwahrscheinlich. Israelische Kommentatoren mutmassten, mit dem Schlag habe der Iran daran gehindert werden sollen, Basen für Boden-Boden-Raketen in Syrien zu installieren. Gegen wen diese ballistischen Raketen gerichtet gewesen wären, ist offensichtlich.
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