Die Kolumne von Autor, Künstler und SRF-Moderator Reeto von Gunten über den allwöchentlichen Ärger, wenn wieder Montag ist.
Heute ist Montag, ich weiss. Und ich leide mit Ihnen. Dabei sind wir selbst schuld am schlechtesten aller Wochentage, er kann nichts dafür. Wir haben ihn dazu gemacht, weil er am
Anfang steht; dort, wo der verhasste Alltag beginnt. Wer schon mal von der grossen Liebe verlassen wurde, weiss, wie es sich anfühlt, aufzuwachen und festzustellen, dass man alleine ist.
Genau so funktioniert Montag: Alles, was gut war, ist weg, und die Realität – ob wir sie wahrhaben wollen oder nicht – brettert los, knallt rein und macht alles platt, was aussergewöhnlich, aufregend, besonders oder sonst wie nicht Montag ist.
Eventuell reicht es vorher gerade noch, dem Arbeitskollegen ein paar Ferienbilder vorzuscrollen, doch dann bricht alles Aufgeschobene und Angestaute über einen herein, begleitet von schlechten Nachrichten, unglücklichen Zufällen und Mundgeruchgesprächspartnern.
Das ist Montag. Ab hier ist alles wie immer: grau, langweilig und ärgerlich. #KeineKaffeeKapseln, #ÜberallÖVRüpel, #Akkuleer, #Papierstau, #Feierabendstau, #TatortFail und darüber twittern hilft auch nicht.
Der Montag ist ein einziger trauriger Allgemeinplatz, vollgestopft mit Floskeln, Wochenendkater und Hoffnungslosigkeit.
Allgemeinplätze werden von der Allgemeinheit geprägt, der wohl trägsten, langweiligsten und leider auch dümmsten aller Gemeinheiten. Also müssten diese bezwungen werden, wenn man dem immer wiederkehrenden Montag – und damit genau genommen seinem ganzen Leben – etwas abgewinnen will.
Am einfachsten übermannt man Allgemeinheit, denke ich, im Alleingang, von Vorteil morgens, noch vor dem Aufwachen. Dann, wenn man vom Tiefschlaf zurück ins Bewusstsein gerät, während sich Traum und Wirklichkeit ein Verwirrspiel leisten und man alles neu ordnen und sich zurück ins vermeintliche Zentrum rücken muss (und genau dann, wenn man nicht weiss, welcher Wochentag heute eigentlich ist), können wahrscheinlich solche Allgemeinplätze bezwungen und sich ein eigenes, klares und optimistischeres Image für den Montag zurechtgelegt werden.
Es braucht nur ein paar gute Gedanken und eine mutige Prise naive Zuversicht. Wie damals, als Kind.
Gute Gedanken bereitete ich als Kind jeweils vor, stellte mir Fragen vor dem Einschlafen: «Was kommt morgen, das ich mag? Was wird mich glücklich machen? Was zum Lachen bringen? Was ist das Unglaublichste, das ich erreichen werde? Was das Unerwartetste? Welche Grenze muss gesprengt, welcher Vorsatz neu gefasst und welcher Traum verwirklicht werden?»
Und dann, in der letztmöglichen bewussten Phase kurz vor dem Tiefschlaf, nahm ich mir jeweils vor, welche dieser Fragen beantwortet und umgesetzt werden wollte am nächsten Tag. Der entsprechende Plan schlief in mir ein, schlummerte, ausgemalt in den schillernden Farben des Unterbewusstseins, leise vor sich hinköchelnd, die ganze Nacht lang, um dann, am Morgen kurz vor dem Aufwachen, als Erstes ins Bewusstsein zu kriechen und mir ein gutes Gefühl zu geben. Es hielt oft den ganzen Tag.
Seither habe ich mir diesbezüglich zwar einen erschreckenden – aber hoffentlich wieder aufholbaren – Trainingsrückstand eingebrockt, aber ab und zu gelingt es weiterhin: beim Aufwachen zu wissen, dass heute ein richtig guter Tag wird.
Dann wird jeder Tag zum Sonntag, egal welcher auf dem Display erscheint. Es ist Sonntag. Und je sorgfältiger ich trainiere, desto besser gelingt mir dies jeden Tag. Jeder Tag wie Kindergeburtstag, mit tollen Überraschungen, guten Freunden und viel von allem, was ich mag.
Jede Überraschung eine freudige, jede Aufregung motivierend, jeder Gedanke ein guter, jeder Song ein Wohlgefallen. Da kann der Montag mit all seinen Hashtags einpacken. Alles, was es dazu braucht, ist, wieder so einzuschlafen wie als Kind: mit guten Gedanken und Zuversicht.
Und wenn alles gar nicht klappt, auch nach wochenlangem Training und tantrisch blindem Optimismus nicht – hilft Musik. Jene, die aus jedem Gedanken einen guten machen und meine hemmende Angst vor Naivität zerstreuen kann.
Suchen Sie bei Ihrem nächsten Google-Ausflug an einem grauen Montag mal nach «Sonntagsmusik», das ist schon mal ein prima Start, versprochen.