Das war ein Moment für die Ewigkeit. Der Augenblick, als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Bühne eines Berliner Hotels vor Hunderten Gästen des W-20-Gipfels ins Stocken geriet. Auslöser war die Frage, ob sie sich selbst als Feministin bezeichnen würde.
Es hat dann ein paar Wortrunden gedauert, bis eine Annäherung stattfand zwischen der Bundeskanzlerin und dem Begriff. Es war der Beginn einer Freundschaft, gespickt mit Resten an Misstrauen. Zumindest wollte die Kanzlerin die Frage mit nach Hause nehmen, «ob ich Feministin bin oder nicht».
Diese Frage muss jede Frau und jeder Mann für sich beantworten. Wer für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Frau eintritt und dies nicht verheimlicht, darf sich so nennen. Dass manch eine(r) davor zurückschreckt, hat wenig mit dem Wort, aber viel mit den Schubladen zu tun, in denen Gedachtes manchmal gerne abgelegt wird. Kleinliche Auslegeordnungen aber haben noch nie weitergeführt.
Es war richtig, dass sich die Runde zur Vorbereitung des G-20-Gipfels in Hamburg im Juli mit der deutschen Kanzlerin, IWF-Chefin Christine Lagarde, US-Präsidententochter Ivanka Trump und anderen auf Frauen und Unternehmertum konzentriert hat. Die Zahlen sprechen da eine klare Sprache. Nur jedes zehnte Start-up in Deutschland wird von einer Frau gegründet.
Weltweit sind 70 Prozent der von Frauen gegründeten Unternehmen unterfinanziert, weil die Gründerinnen keinen Zugang zu Krediten und anderen Finanzierungsmöglichkeiten haben. Und wären Frauen endlich im gleichen Umfang wie Männer erwerbstätig, unser weltweites Bruttosozialprodukt könnte bis 2025 um knapp 28 Billionen Dollar wachsen.
Wenn aus der W-20-Runde nun also ein Fonds zur Förderung von Unternehmerinnen in Entwicklungsländern hervorgehen soll, dann ist das zumindest schon mal ein konkreter Ansatz. Die historische Erfahrung zeigt: Frauen sind gut im Umgang mit Geld. Die Gewährung von Mikrokrediten an Frauen in Entwicklungsländern funktioniert deutlich besser als die an Männer. Die Frauen halten das Geld zusammen und investieren es ins Geschäft.
Die Männer? Nun ja, das ist eine andere Geschichte. Auch Unternehmen mit Frauen in Management und Bord bringen nach einer Reihe von Studien bessere finanzielle Kennzahlen zustande als solche mit reiner Männerführungsriege.
Es gibt also gute Gründe, über einen ökonomischen Feminismus nachzudenken. Aus der Runde mit der deutschen Kanzlerin aber ist flugs ein neuer Begriff entstanden, mit dem wir jetzt offenbar zwischen dem guten, richtigen und dem falschen, bösen Feminismus unterscheiden lernen sollen. Business-Feminismus heisst das neue Schmähwort, und es trifft alle, die Frauen zum neuen Wachstumsmotor der Wirtschaft machen wollen. Da könnte ich dann doch ein bisschen sauer werden.
Wie sonst, bitte, soll es gelingen, Frauen die gleichen Chancen und Möglichkeiten zu bieten, als dadurch, ihnen Rahmenbedingungen für Unternehmertum zu schaffen. Und zwar alles, was dazugehört: Bildung, Kinderbetreuung, Kapital usf. Das bringt Wachstum, volkswirtschaftlich und ganz individuell. Am eigenen unternehmerischen Tun wächst ein Mensch ungemein.
Um das zu erkennen, muss man keine Feministin sein. Das schafft man als Realistin. Als solche erkennt man auch leicht, dass Begriffe, wie Menschen, mit der Zeit gehen. Der Feminismus hat mal mit «mein Bauch gehört mir» angefangen. Wir dürfen den Bedeutungsraum getrost ergänzen. «Mein Unternehmen gehört mir» zählt heute zum Repertoire derer, die sich Feministinnen nennen.