Der Tessiner Finanzdirektor Christian Vitta (44) möchte Bundesrat werden, er hat die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Aber er hat es schwer. Man kennt ihn zwar im Tessin, nicht aber in Bern. Im Gegensatz zu Ignazio Cassis, der im Bundeshaus bekannt ist wie ein bunter Hund. So nutzte Vitta in diesen Tagen die Gelegenheit, sich etwas bekannter zu machen: Er schickte Mitgliedern der Vereinigung der Bundeshaus-Journalisten einen dicken Umschlag. Darin zwei Broschüren zum Kanton Tessin sowie ein kurzer, netter Begleitbrief. Ein sympathisches, informelles Bewerbungsschreiben für die Wahl vom 20. September.
Leider wird das Vitta, statistisch gesehen, nichts helfen. Die Erfahrung der letzten Jahre spricht gegen ihn. Wie übrigens auch gegen den Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (39), auch er ein überaus talentierter freisinniger Exekutivpolitiker.
Der Grund liegt nicht im Kanton, nicht im Alter, auch nicht am Leistungsausweis. Er liegt anscheinend allein im Geschlecht. Oder, etwas anders ausgedrückt: Darin, dass die grosse Mehrheit der Bundesversammlung, die die Bundesratwahl vornimmt, aus Männern besteht.
Zwar wurden in den letzten Jahrzehnten mehrmals kantonale Regierungsmitglieder, die zuvor nie Angehörige des Bundesparlaments waren, in die Landesregierung gewählt. Aber ein Mann war keiner darunter. 2007 war es Eveline Widmer-Schlumpf (SVP, später BDP), 2002 Micheline Calmy-Rey (SP), 1999 Ruth Metzler (CVP), 1993 Ruth Dreifuss (SP).
Offenkundig erliegen die Herren National- und Ständeräte immer mal wieder gerne dem Reiz des Neuen, Unbekannten. Frauenförderung nach Art des Hauses.