Meiereien
Frau Lüscher will Geld hüten

Frau Lüscher hat wieder angerufen. Das ganze Euro-Franken-Zeugs mache ihr einen sturmen Kopf. Und sie wisse nicht, ob das, was sie mir nun erzähle, eine geniale Idee sei oder ob sie jetzt eher vom Währungswahnsinn umzingelt sei.

Jörg Meier
Jörg Meier
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Frau Lüscher will mit Geldhüten Geld verdienen. (Symbol)

Frau Lüscher will mit Geldhüten Geld verdienen. (Symbol)

Nordwestschweiz

Ich spürte, wie Frau Lüscher unter dieser Ungewissheit litt. Ich bat sie, mir ihre vielleicht geniale Idee mitzuteilen. Ich hörte, wie sie erleichtert aufatmete, und schon legte sie los: «Neuerdings verlangen die Banken ja Negativzins auf hohe Beträge. Wer viel Geld auf die Bank bringt, erhält keine Zinsen mehr, sondern muss dafür bezahlen, dass die Bank das Geld hütet.»

Das sei meiner Meinung nach korrekt wiedergegeben, sagte ich.

«Gut», sagte sie, «0,25 bis 0,75 Prozent kostet das Geldhüten. Das macht pro Million und Jahr zwischen 2500 und 7500 Franken.»

«Und?», fragte ich, «was wollen Sie damit sagen?»

«Ganz einfach», erklärte Frau Lüscher, «die Reichen müssen ihr Geld nicht unbedingt auf die Bank bringen. Sie können es auch mir bringen. Ich hüte die Millionen gerne und erst noch viel günstiger als alle Banken. Das Geld hat es gut bei mir – und wenn es die Reichen wieder zurückwollen, können sie es bei mir abholen. Verstehen Sie?»

«Nein», sagte ich.

«Ich hüte günstiger als die Banken. Ich nehme nur – sagen wir mal – 0,20 Prozent. Angenommen, ich hüte 100 Millionen, dann verdiene ich nebenbei 200 000 Franken im Jahr. Und mein Aufwand ist klein: Geld hat keinen Hunger, streitet nicht und macht nicht in die Hosen.»

«Und wo wollen Sie denn das viele Geld aufbewahren?», fragte ich, ziemlich fassungslos. «Das verrate ich Ihnen sicher nicht», lachte Frau Lüscher, «bei mir gilt das absolute und unantastbare Geldhütegeheimnis.»