Welthandel
Europa wird von Trump profitieren

In seinem Gastkommentar schreibt Ökonom und Migrationsforscher Thomas Straubhaar über Handelsbarrieren und warum paradoxerweise ausgerechnet die USA die Rolle der weltwirtschaftlichen Wachstumslokomotive spielen.

Thomas Straubhaar
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Thomas Straubhaar: «Ausgerechnet der viel geschmähte Donald Trump ist hauptverantwortlich dafür, dass zwar die politische Stimmung mies, die wirtschaftliche Lage aber deutlich besser ist.» (Archivbild)

Thomas Straubhaar: «Ausgerechnet der viel geschmähte Donald Trump ist hauptverantwortlich dafür, dass zwar die politische Stimmung mies, die wirtschaftliche Lage aber deutlich besser ist.» (Archivbild)

KEYSTONE/AP/PABLO MARTINEZ MONSIVAIS

Donald Trump hat eine Ökonomie der Abschottung angekündigt. Für den weltweiten Handel bedeutet das auf den ersten Blick nichts Gutes. Doch paradoxerweise könnte ausgerechnet Europa profitieren.

Nun hat auch der Sachverständigenrat festgestellt, wie gut die wirtschaftliche Lage trotz Donald Trump und anderer politischer Risiken wie des Brexit ist. «Die Weltwirtschaft zeigt sich zum Jahresbeginn 2017 in einer robusten Verfassung», schreibt er in seiner zu Wochenbeginn aktualisierten Konjunkturprognose. Die Wende zum Optimismus war überfällig. Nüchtern betrachtet, lag die Wahrscheinlichkeit für einen ökonomischen Boom schon lange höher als für einen Crash. Warum? Weil paradoxerweise ausgerechnet die USA die Rolle der weltwirtschaftlichen Wachstumslokomotive spielen.

Zwar ist die Wirtschaftspolitik des Donald Trump national(istisch) orientiert und auf Konfrontation statt Kooperation ausgelegt. Angela Merkel hat bei ihrem Besuch im Weissen Haus authentisch erlebt, was «Starrköpfigkeit und Eigensinn» bedeuten. Grenzzäune, Strafzölle und eine «America First»-Doktrin bestimmen die US-Aussenwirtschaftspolitik. Wer allerdings daraus schwerwiegende Weltwirtschaftsprobleme ableitet, hat nicht verstanden, dass die klassischen Handelsaktivitäten bereits weit vor Donald Trumps Antritt an Dynamikverloren hatten.

Europäische Konjunkturforscher wären gut beraten, ihre alten Prognosemodelle zu entstauben. In der Tendenz überschätzen sie die Effekte der Globalisierung und unterschätzen die Dynamik der Digitalisierung. Schon lange ist nicht mehr die alte Globalisierung der Motor der Weltwirtschaft. Die Digitalisierung ist die neue Kraft. Die Digitalisierung aber wird von Trump in keiner Weise und nirgendwo gebremst, sondern vorangetrieben. Infrastrukturproramme, Steuersenkungen, Deregulierung sind Eckpfeiler der Trumponomics. Kein ernsthafter Ökonom kann daran zweifeln, dass diese Mischung positive Wachstumsimpulse auslöst.

Weit strittiger wird die Nachhaltigkeit einer national(istisch)en Wirtschaftspolitik beurteilt. Die Logik von Freihandel und internationaler Arbeitsteilung lässt negative Effekte von Marktabschottung und Einwanderungshürden erwarten. Die US-Wirtschaft aber kann mit einer Binnennachfrage von 325 Millionen Menschen rechnen. Deren Kaufkraft alleine erreicht ein Gewicht von über einem Viertel des Weltvolumens insgesamt.

Der private Konsum war immer schon die tragende Säule der amerikanischen Wirtschaft. Hier strahlt das US-Verbrauchervertrauen nichts anderes als Optimismus aus. Im März 2017 lag der Stimmungsindex der Universität Michigan 1,3 Prozent höher als im Februar 2017 und 7,3 Prozent höher als im März 2016. Angesichts der erfreulichen Entwicklung auf dem US-Arbeitsmarkt mit steigender Beschäftigung und steigenden Reallöhnen kein Wunder, sondern ein Trend, der noch eine Weile anhalten dürfte. Damit aber kann aus einem zunächst keynesianischen Nachfrageimpuls ein sich selbst verstärkender und damit nachhaltiger Wachstumseffekt werden.

Was, wenn die positiven Binnen-Effekte die wohl negativen Ausseneffekte übertreffen? Dann stehen die USA vor ökonomisch guten Zeiten. Die positiven Wachstumsaussichten werden den US-Dollar genauso stärken wie die letzte Woche von der US-Notenbank Fed um ein Viertelprozent angehobenen Leitzinsen. Der Boom der US-Wirtschaft und die Stärke des US-Dollars sind ein Problem für die Schwellenländer, deren Staatshaushalte teilweise durch hohe US-Dollar-Schulden und nun steigende Zinskosten belastet sind. Für alle anderen sind sie gute Nachrichten.

Investoren aus aller Welt finden in den USA jene Renditen, die sie in der Nullzinswelt Europas oder Japans vergeblich suchen. Der US-Stabilitätsanker wirkt sich positiv auf die Weltwirtschaft aus, weil sich damit weltweit bei Anlegern und ihren Fonds die Vermögensentwicklungen verbessern, was wiederum Kauf- und Investitionsentscheidungen in der übrigen Welt stimuliert. So wird die steigende Attraktivität des US-Kapitalmarktes indirekt zu positiven Folgeeffekten andernorts – ganz besonders auch in Europa – führen.

Sollte, was nun im Laufe der kommenden Monate immer realistischer werden dürfte, der US-Dollar im Verhältnis 1:1 gegen den Euro getauscht werden, werden die USA nicht nur weltweit zum Kapitalaufsauger, sondern zu einem noch einmal stärkeren Nachfrager intelligenter industrieller Angebote aus dem billiger gewordenen Europa.

Das hilft vor allem der deutschen Exportwirtschaft. Andererseits würden Leistungen aus den USA für Importeure aus Europa teurer. Das provoziert hierzulande genau jene Inflationseffekte, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit allen Mitteln angestrebt werden. So könnten endlich auch in Europa eine Abkehr von Negativzinsen und eine Normalisierung der Geldpolitik erfolgen.

Ausgerechnet der viel geschmähte Donald Trump ist hauptverantwortlich dafür, dass zwar die politische Stimmung mies, aber eben die wirtschaftliche Lage deutlich besser ist. Wie gut der Ausblick für die US-Wirtschaft wirklich ist, dokumentiert niemand besser und glaubwürdiger als Janet Yellen, die Präsidentin der Fed. Dass sie gegen alle Widerstände und Interessen die Leitzinsen angehoben hat, um einer von ihr befürchteten Konjunkturüberhitzung entgegenzuwirken, sollte dem letzten Pessimisten die Augen geöffnet haben. Die US-Wirtschaft darbt nicht. Sie boomt.