USA-Korrespondent Renzo Ruf zur Ministerriege des designierten US-Präsidenten.
Eine in Washington oft verbreitete Binsenwahrheit lautet: Wahlen haben Konsequenzen. Deshalb sollte nun niemand darüber erstaunt sein, dass der designierte Präsident Donald Trump sich ein Kabinett zusammengestellt hat, das seinem Gusto entspricht – und das eine ganze Reihe von Köpfen beinhalten wird, die den Politbetrieb in der amerikanischen Hauptstadt aufmischen wollen. Gemäss vorläufiger Zählung umfasst die künftige Ministerriege zwei Generäle im Ruhestand, drei schwerreiche Geschäftsmänner, zwei Polit-Aktivisten und bloss acht Personen mit politischer Erfahrung. Auch für die führenden Beraterposten wählte Trump Ex-Militärs, Banker und Unternehmerinnen aus, die im Wahlkampf Loyalität zeigten.
Einige dieser Personalien sind erfrischend und vertrauenserweckend. Niemand zweifelt zum Beispiel daran, dass die Karriere von General James Mattis, dem künftigen Verteidigungsminister, aussergewöhnlich ist und dass der hochdekorierte Marineinfanterist einer ganzen Generation von Soldaten als Vorbild dient. Auch die Laufbahn von Ben Carson, der künftig an der Spitze des Wohnbauministeriums stehen soll, ist beeindruckend. Der Afroamerikaner wurde 1951 im Getto von Detroit geboren, als Sohn einer Analphabetin. Dreieinhalb Jahrzehnte später war er einer der weltweit führenden Neurochirurgen, und er trennte siamesische Zwillinge. Dass Mattis und Carson noch nie in ihrem Leben an der Spitze einer Monster-Bürokratie standen, muss nicht unbedingt schlecht sein. Reformorientierte Minister lernen schnell, dass sie auf ein eingespieltes Team zurückgreifen müssen, wollen sie im Kleinkrieg mit der Beamtenschar die Oberhand behalten.
Andere Exponenten an der Spitze einflussreicher Ministerien hingegen sind schlicht furchterregend. So ist Jeff Sessions, seit 1997 Senator aus Alabama, ein Scharfmacher, der regelmässig Stimmung gegen Einwanderer macht – auch wenn sie sich legal in den USA aufhalten. Als künftiger Justizminister wird Sessions eine Machtfülle besitzen, die ihn dazu verführen könnte, solche Feldzüge fortzusetzen. Auch Andy Puzder, der an der Spitze der Fast-Food-Holding CKE Restaurants erfolgreich agierte, scheint ein herzlich unsympathischer Zeitgenosse zu sein, der nicht auf Qualität und motiviertes Personal setzt, sondern auf Sex, um die Produkte seiner Restaurants an den Mann (das erklärte Zielpublikum) zu bringen. Künftig soll Puzder nun als Arbeitsminister seiner Branche Vorschriften machen und Arbeitskonflikte schlichten.
Angesichts dieser Mischung fällt es schwer, einen gemeinsamen Nenner für das Kabinett Trump zu finden. Erfolg war bei der Auswahl der Minister sicherlich ein Kriterium: Die künftigen Regierungsmitarbeiter haben – wenn auch in ganz unterschiedlichen Bereichen – bewiesen, dass sie ihre Materie beherrschen. Der Präsident, der aus einer reichen Familie stammt, scheint zudem ein Flair für Menschen zu haben, die sozial aufsteigen und sich von Rückschlägen nicht beirren liessen. Und natürlich stilisieren sich zahlreiche der neuen Minister zu Aussenseitern, obwohl man über diesen Begriff trefflich streiten kann. Ist ein Mann wie Puzder, der seit dem Jahr 2000 an der Spitze eines Unternehmens mit mehr als 3300 Zweigstellen steht, wirklich ein «Outsider»?
Die politische Einordnung der neuen Ministerriege kommt hingegen einem Kunststück gleich. Einige herausragende Köpfe haben gemein, dass sie finden, Amerika müsse sich künftig wieder auf sich selbst besinnen. Das entspricht auch der Botschaft, die der designierte Präsident Trump verbreitet. Die Generäle Mattis (Verteidigungsministerium) und John Kelly (Sicherheitsministerium) aber lernten während ihres gesamten Berufslebens den Wert multilateraler Allianzen kennen und schätzen. Auch Rex Tillerson, der heutige Exxon-Mobil-Konzernchef und künftige Aussenminister, scheint ein Mann zu sein, der sich nicht einigeln will – obwohl seine Freundschaft mit dem russischen Autokraten Wladimir Putin Anlass zur Beunruhigung gibt. Vielleicht ist es deshalb schlicht und einfach noch zu früh, ein genaueres Bild des neuen Kabinetts zu zeichnen. Der Ball liegt nun im Senat. Nach den parlamentarischen Anhörungen, die ein jeder Minister in spe über sich ergehen lassen muss, lässt sich der Kurs der künftigen amerikanischen Regierung hoffentlich besser abschätzen.