Am Sonntag wählt die Stadt Bern ein neues Parlament und eine neue Regierung. Wer das erste Mal hier wählt, der wundert sich. Vor allem über das Wahlsystem. Der Gemeinderat (so heisst die Exekutive) wird nämlich im Proporz gewählt. Dieses Wahlsystem trägt seltsame Blüten. So zwingt es die FDP in ein Bündnis mit der evangelikalen EDU. Trotzdem nennt sich die Liste «liberal- bürgerlich». Ein Etikettenschwindel.
Sonderbar muten die Sorgen von RGM (Rot-Grün-Mitte) an. Dieses Bündnis gibt in der Stadt seit 24 Jahren den Ton an. Und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass RGM mit weniger als 60 Prozent der Stimmen künftig vier der fünf Gemeinderäte stellen wird. Der Co-Präsident der SP der Stadt Bern sorgt sich deshalb offiziell um eine mögliche Untervertretung der Bürgerlichen.
Inoffiziell hat die SP jedoch ein anderes Problem. Holt RGM vier Sitze, dann ist auch Alec von Graffenried von der Grünen freien Liste gewählt. Und dieser von Graffenried duelliert sich mit SP-Frau Ursula Wyss um das Amt des Stadtpräsidenten. Nur wer in den Gemeinderat gewählt wird, kann auch Stadtpräsident werden. Für die SP wäre es also am besten, wenn der Alt-Nationalrat gar nicht erst in die Regierung gewählt würde. Doch von Graffenried ist eben nicht nur Feind, sondern auch Freund. Er steht auf der RGM-Liste und hofft auf viele bürgerliche Panaschierstimmen.
Sie sehen, das ist reichlich kompliziert. Und Sie merken: Es geht vor allem um Taktik, wenig um Inhalt. Wyss und von Graffenried zelebrieren im Stapi-Wahlkampf die Gemeinsamkeiten. Der Wähler muss sich nur fragen, ob er eine Frau will oder einen selbst ernannten Brückenbauer: «Die Stapi» oder «Dy Stapi» , wie es in den Wahlslogan heisst. Schön eine Stadt, die keine anderen Sorgen hat.