In seinem Gastkommentar schreibt der Chemiker und Journalist René Weiersmüller zur Debatte um den Solarstrom und die Energiewende.
Der Teilumbau der Schweizer Stromversorgung auf Solarstrom wird ein Mehrfaches dessen kosten, was Politik und Interessenvertreter angeben. Zudem dürfte eine Planwirtschaft unvermeidbar sein.
An einer viel beachteten Pressekonferenz behaupteten Experten der Umweltverbände vor gut fünf Jahren, der Atomausstieg koste pro Haushalt jährlich nur fünf Franken. Fakt ist: Gemäss Energiestrategie 2050 sollen im Schweizer Stromnetz jährlich gegen elf Terawattstunden (TWh) Solarstrom fliessen.
Unter optimistischen Annahmen würde das etwa 55 Quadratkilometer horizontal oder leicht südlich geneigte Solarpanels erfordern. Das entspricht je Wohnung zehn bis zwanzig Quadratmeter nicht beschattete und im Winter schneefreie PV-Panels. Kosten würde dies pro Wohnung etwa 7000 Franken – Unterhalt und Rückstellungen für Ersatzinstallation und Entsorgung im Lauf der Jahre nicht eingerechnet.
Entgegen den Beteuerungen von Bundesrätin Doris Leuthard ist das mit dem vorgesehenen Netzzuschlag von 2,3 Rappen je Kilowattstunde konsumierten Stroms nicht finanzierbar. Auch nicht zusammen mit den – zukünftig bedeutend kleiner werdenden – Abgeltungen der Elektrizitätswerke für den ins Netz eingespeisten Solarstrom. Zudem: Verbilligungsbeiträge von Bund, Kantonen, Gemeinden oder Elektrizitätsversorgern bezahlt letztlich ebenfalls die Allgemeinheit. Das gilt auch für mögliche Steuerabzüge.
Wer nun meint, die Sache sei wenigstens kostenmässig ausgestanden, der irrt. Das mit einer Solarstrom-Versorgung zu lösende Problem ist nämlich der Erhalt der Netzstabilität (Produktion gleich exakt Verbrauch) bei einer möglichst weitgehenden Nutzung des solaren Angebotes. Solarstrom fällt aber unregelmässig an, zudem nur tagsüber sowie im Winter in bedeutend kleinerem Umfang als im Sommer.
So würde die genannte Panelfläche in den Mittagsstunden eines schweizweit sonnigen Sommertages eine Maximalleistung von mehr als 9000 Megawatt Strom erbringen, das entspricht rund dem Neunfachen des AKW Gösgen bei Volllast. Um solche gigantischen Leistungsspitzen vollumfänglich zu meistern, wären immense Pumpspeichersee-Kapazitäten, gigantische Strom-Zu- und -Ableitungen sowie entsprechende Pumpen und Turbinen not-wendig.
Zudem bräuchte es sehr viel Wasser zum Hochpumpen – während dieser Mittagsstunden etwa einen Drittel des mittleren Rheinabflusses bei Basel. Geeignete Standorte für solche Anlagen dürften in der Schweiz eher rar sein.
Andere Optionen sind individuelle Batterien-Lösungen und Betriebszeiten-Optimierungen. Oder den Besitzern von Solaranlagen würde entgegen dem geltenden Recht verordnet, an sonnigen Tagen ihre Anlage vorübergehend vom Netz zu trennen.
Dies wiederum dürfte weder den ungefragt um die verschiedensten Subventionen er-leichterten Normalbürger noch den von Einspeisevergütungen profitierenden Solarstromerzeuger erfreuen. Zur Erfüllung der bundesrätlichen Solarstromvorgabe müsste in diesem Fall zudem die Panelfläche vergrössert werden.
Damit der teuer erzeugte, zu Spitzenzeiten aber fast wertlose Solarstrom wenigstens teilweise ins Netz «hineingepresst» werden kann, steht auch eine temporäre Ausserbetriebnahme der Flusskraftwerke zur Diskussion. Der Sommer-WinterAusgleich wäre damit aber noch nicht gelöst. Das Winterloch dürfte sich zudem durch den geplanten Ausbau der Elektromobilität sowie durch das vorgesehene Verbot von Ölheizungen (Wegfall der Heizöltanks als riesige Energiespeicher für den Winter) noch zusätzlich akzentuieren.
Hinzu kommt die Sache mit dem Stromnetz: Dieses ist nämlich in den unteren Ebenen im Wesentlichen ein Stromverteilnetz, welches auch regelungstechnisch kaum die dezentrale Einspeisung von akut anfallendem Solarstrom grosser Leistungen bewältigen kann. Ein radikaler Netzumbau wäre folglich zwingend.
Fazit: Netzumbau, neue Speicher- und Pumpspeicher-Seen samt Infrastruktur, individuelle Stromspeicher, gasbefeuerte und Treibhausgase produzierende Spitzenkraftwerke kosten ein Mehrfaches der Solarpanel. Dazu kommen Unterhalt sowie die bei Anlagen mit kurzen Laufzeiten und hohen Leistungen generell höheren Betriebskosten.
Grössere Stromimporte – von dreckigem Kohlen- oder AKW-Strom – werden wohl ebenso unvermeidbar sein wie der beschleunigte Wechsel zu einer – bis jetzt überall gescheiterten – Planwirtschaft. Die Frage ist letztlich nicht, ob es geht. Sondern ob die Mehrheit des Volkes – im ungeschminkten Wissen um die Konsequenzen – das zu tragen bereit ist? Sollte das der Fall sein, wäre natürlich alles in Ordnung.