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Der Fussball-Prozess vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona scheiterte nicht am Corona-Virus, sondern an der Bundesanwaltschaft, besonders an ihrem Chef, Bundesanwalt Michael Lauber. Je länger er im Amt bleibt, desto mehr Schaden erleidet die Schweizer Justiz.
Es war ein Fall, wie Bundesanwalt Michael Lauber ihn mochte. International bekanntes Personal geriet im November 2015 in sein Visier, wie kurz zuvor schon Sepp Blatter und Michel Platini. Diesmal waren es deutsche Fussball-Grössen allen voran der ehemalige deutsche Fussball-«Kaiser» Franz Beckenbauer.
Klingende Namen und solche, die man ohne grosses Risiko angreifen konnte: Sie kamen aus der Sportwelt, nicht aus der mächtigen Wirtschafts-, Finanz- oder Bankenwelt. Als Laubers Bundesanwaltschaft im November 2015 dieses Betrugsverfahren im Zusammenhang mit dem «Sommermärchen», der WM 2006 in Deutschland, eröffnete, konnte er nur gewinnen.
So sah es aus. Knapp fünf Jahre später ist klar: Laubers Truppe hat das Fussball-Verfahren auf ungeheuerliche Art und Weise vermasselt. Aus dem «Sommermärchen» wurde ein Albtraum der Schweizer Strafjustiz. Soeben hat die Strafkammer des Bundesstrafgerichts in Bellinzona entschieden, den laufenden Strafprozess bis am 20. April zu sistieren. Damit ist der Fall klinisch tot, weil die Vorwürfe Ende April verjähren.
Unmittelbarer Anlass für die Sistierung ist zwar die Corona-Situation. Aber in der Begründung des Entscheids machen die Bundesstrafrichter klar, dass der Fall auch ohne das Virus tot wäre: Laubers berüchtigte Geheimtreffen mit dem neuen Fifa-Boss Gianni Infantino führten dazu, dass mit «umfassenden Beweisverwertungsverboten» zu rechnen sei.
Das ergebe sich aus den Feststellungen von Laubers Aufsichtsbehörde im Rahmen des Disziplinarverfahrens. Die Kungelei von Lauber mit Infantino führt also dazu, dass Beweise nicht verwendet werden können.
Was zu diesem vernichtenden Befund beigetragen haben wird: Das Bundesstrafgericht weiss seit einigen Tagen genau, wer bei den Infantino-Treffen welche Rolle spielte. Denn mittlerweile verfügt das Gericht über die ungeschwärzte Disziplinarverfügung der Aufsichtsbehörde zu Lauber. Auch die Namen von Drittpersonen sind darin nicht mehr geschwärzt.
Gravierende neue Fakten zur Kungelei mit der Fifa dürften aufgetaucht sein. Aufgrund eines prozessleitenden Beschlusses des Gerichts habe die Aufsichtsbehörde der Bundesanwaltschaft diese Version rechtlich liefern müssen, heisst es auf Anfrage bei der Behörde. Man habe aber darauf aufmerksam gemacht, «die nötigen Schutzmassnahmen» zu treffen.
So sieht es also aus: Die Schweiz hat einen höchsten Strafverfolger, der aus Überheblichkeit oder in Unkenntnis der Strafprozessordnung ein Verfahren ruiniert hat. Oder besser gesagt: Mehrere Verfahren, denn bereits musste ein anderes wegen der Infantino-Treffen beerdigt werden: das Strafverfahren gegen die ehemaligen Fifa-Spitzenleute Jérôme Valcke und Markus Kattner.
Die Kungeleien sind ein gefundenes Fressen für jeden Strafverteidiger. Und noch sind etwa 20 Fussball-Verfahren bei der Bundesanwaltschaft hängig.
Das Bundesstrafgericht in Bellinzona ist nicht unschuldig an der Misere. Es hat die Anklage im «Sommermärchen»-Fall monatelang liegen gelassen und den Prozess zu spät angesetzt – ein Teil der Verjährungsproblematik geht auf seine Kappe. Aber auch Bellinzona hätte das Strafverfahren nicht retten können, nachdem Lauber es mit seinen Infantino-Treffen vergiftet hatte.
Lauber hat einen Scherbenhaufen angerichtet, wie kein Bundesanwalt vor ihm. Finanziell, weil die vergifteten Verfahren und Laubers Kampf gegen seine Aufsichtsbehörde die öffentliche Hand viel Geld kosten. In Bezug auf den Ruf der Bundesstrafjustiz, die jeden Tag mehr an Glaubwürdigkeit verliert.
Man kann es nicht anders sagen: Je länger Lauber im Amt bleibt, desto mehr schadet er derzeit der Justiz. Sobald das Parlament nach der Corona-Krise wieder handlungsfähig ist, muss es endlich seine Verantwortung übernehmen und in der Bundesstrafjustiz für einen gründlichen Neuanfang sorgen.