In ihrer Kolumne «Liebes Leben, wir müssen reden» schreibt Social-Media-Redaktorin Maria Brehmer über alles, was das Leben schöner macht – und manchmal auch schwieriger. Heute: Was ich am Tag nach dem Frauenstreik noch sagen wollte.
So viele Male hast du die Regenwürmer aus dem Humus gezogen, damit du sie beim Umstechen des Komposthaufens nicht verletzt. Als Vierjährige hätte ich es nicht ertragen, einen Regenwurm leiden zu sehen. Es dauerte jeweils Stunden, und du tatest es nur für mich. Danke, Opa!
Danke, Andreas Moser, dass ich wegen deiner Filme tage- und nächtelang davon träumen durfte, wie ich im Wald einem wilden Tier begegne und es zu meinem geheimen besten Freund wird. Am liebsten wäre mir ein Wolf gewesen.
Danke, Skilager-Junge, dass ich durch dich zum ersten Mal den süssen Duft des Verliebtseins atmete. Beim Spaghetti-Tanz spürte ich deine schwitzigen Hände an meiner Taille, wich schüchtern deinem Blick aus. Wie gut und unheimlich es sich anfühlte, diese unbekannte Welt zu betreten und mit jedem weiteren unsicheren Schritt, jeder weiteren Berührung mehr überzeugt zu sein, mich vor Aufregung gleich übergeben zu müssen.
Danke, Pap, hast du mir nie meine Möbel aufgebaut und meine Lampen aufgehängt. Alles musste ich selber machen, während du mich über meine Schulter hinweg korrigiertest – wie mich das ärgerte! Einen Betonbohrer bedienen? Einen Küchenschrank zusammenschrauben? Kann ich.
Danke, beste Kumpels, die ihr mir im Ausgang die Aufdringlichen vom Leib gehalten habt und – wenn auch seltener nötig – immer noch haltet. Ja, ich kann mir auch selber helfen. Doch dass sich jemand für meine Grenzen starkmacht, wenn andere sie nicht respektieren, tut gut. Dasselbe gilt für Türsteher, Barkeeper und sonstige Wildfremde, die viele gute Worte und Taten für einen übrig hatten, wenn gute Worte und Taten gerade besonders nötig waren. Etwa wenn man als Zwanzigjährige lebensfreudig, leicht angeheitert und im knappen Rock auf Partys geht, auf denen nicht alle die Regeln des Anstands befolgen.
Danke, Sportlehrer, dass ich euch zweimal im Monat auftischen konnte, dass ich wegen meiner Periode nicht am Schwimmunterricht teilnehmen könne. Danke, Mathematiklehrer, die ihr stets daran geglaubt habt, dass irgendwo in mir ein kleines Mathegenie schlummert. Tat es nicht. Danke, Sprachlehrer in Frankreich, dass ich dank dir noch heute auf Französisch lieben kann!
Danke an den Vater, der mir letzthin beim Einkaufen zeigte, wie verdammt mühsam es ist, mit zwei kleinen Schreihälsen einen Wocheneinkauf zu bewältigen. Ich verzeihe dir, dass du mich vor der Gemüsetheke ungehalten angemotzt hast.
Danke, Chefs und Arbeitsgspändli, habt ihr am Freitag unsere Arbeit gemacht.
Danke all den Männern, die ich je küssen durfte und die mir so ein kleines Stückchen von sich selbst gaben. Danke all den Männern, die mir je einen herzerwärmenden Kuss auf die Stirn hauchten. Danke all den Männern, die nicht hässig wurden, als ich sie nicht küssen wollte.
Danke, bester Freund und Liebhaber, dass ich dank dir für so vieles dankbar sein kann.
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Danke, lieber Coiffeur, Yogalehrer, Werkhofmitarbeiter, freundlichster Kellner auf Erden, danke, Busfahrer, Hausarzt, Znüniverkäufer, Stadtpolizist, danke, Facebook-Freunde und Zufallsbekanntschaften, dass ich eine hohe Meinung von euch habe und ihr
dafür sorgt, dass mein Männerbild ein gutes ist.
Danke, Mann.