Die neue Kolumne von Hans Fahrländer, ehemaliger Chefredaktor der Aargauer Zeitung, befasst sich mit den aktuell unsicheren Zeiten – und wie schwer diese manchmal auszuhalten sind.
Heute vor sieben Wochen waren wir zum letzten Mal im Ausgang. Seither herrscht Trockenheit, gesellschaftlich und auch klimatisch. Sieben Wochen, eine lange Zeit. Doch vermutlich erst der Anfang. Wir stellen uns auf längere trockene Zeiten ein. Nicht gerade zehn Plagen wie im Alten oder sieben wie im Neuen Testament. Aber doch eine. Oder zwei, je nach Fortgang des Wetters. Vieles deutet darauf hin: Das Schnapszahljahr 2020, auf das sich viele gefreut hatten, wird ein verlorenes Jahr.
Mein täglicher Medienkonsum bringt mich mitunter zum Schmunzeln, zum Beispiel wenn Statistiker verlautbaren, die Konsumentenstimmung sei «derzeit im Keller». Diagnose, bei überwiegend geschlossenen Läden: Dreschen überflüssiger Phrasen. Mitunter bringt er mich aber auch auf die Palme, zum Beispiel wenn Professor Eichenberger von der Uni Freiburg auf Tele Züri posaunt, das Verhalten des Bundesrates sei «ein komplettes Politik-Versagen». Diagnose: unangenehme Besserwisserei.
Ich frage mich: Ist das Virus für Linke gefährlicher als für Rechte? Wie sonst kommt es, dass sich die Politik entlang der Parteilinien mit Öffnungs-Forderungen zu übertrumpfen versucht? Natürlich, die Bürgerlichen sind wirtschaftsnahe und die Wirtschaft leidet. Trotzdem. Man sollte das dürstende Publikum nicht mit Verheissungen von bald wieder sprudelnden Quellen zu locken versuchen. Ich fand übrigens auch den «Offenen Brief» der Aargauer Regierung an den Bundesrat, worin sie eine schnellere Öffnungs-Gangart verlangt, nicht ideal. Dass sich eine Kantonsregierung in den Diskurs einschaltet, ist gut. Aber dafür gibt es andere Mittel als einen Offenen Brief. Der wirkt halt sofort ein bisschen, naja, Applaus erheischend.
Am schlimmsten ist das Leben mit der Unsicherheit. Ich lese etwas, zum Beispiel zur Zusammensetzung der Risikogruppe, zur Wirkung von Schutzmasken oder zum Fahrplan einer Impfung. Und morgen lese ich das Gegenteil. Und ich merke: Vieles weiss man schlicht noch nicht. Das halten wir heutzutage nur schwer aus. Wir sind uns gewohnt zu wissen, zu planen, zu berechnen. Viele von uns machten sich allerdings, trotz sicherer Lebensumstände, bisher schon Sorgen. Jetzt haben unsere Sorgen wenigstens einen Namen. Corona.