Armee
Besser wehrbereit mit Frauen

Esther Girsberger
Esther Girsberger
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Frauen in der Armee.

Frauen in der Armee.

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Schon erstaunlich: Der Kommandant Heer, Daniel Baumgartner, sagt in einem Interview vom 22. Februar, Frauen sollten obligatorisch zu einem Informationstag über die «Chance» Armee aufgeboten werden. Worauf die Medien flächendeckend darüber berichten, Interviews mit Politikerinnen und Politikern, mit echten und selbst ernannten Expertinnen und Experten geführt werden.

Erstaunlich ist das Echo deshalb, weil der Vorschlag mit keinerlei Konsequenzen versehen ist. Hält man sich die Bedeutung dieser Idee mit politischen Geschäften – wie der AHV-Rentenreform, der neu zu findenden Regelung der Unternehmenssteuer-Reform – vor Augen, so ist die Aufmerksamkeit im Vergleich zu den erwähnten Geschäften überproportional. Wie immer, wenn es um die Armee geht.

Ohne Zweifel wäre es für die Qualität der Armee von Vorteil, wenn mehr Frauen einrücken. Gemischte Teams, das wissen wir aus vielen Untersuchungen aus der Wirtschaft, bringen mehr Rendite. Aufs Militär übertragen: Die berühmte Wehrbereitschaft würde besser. Frauen ändern die Tonalität, Frauen stellen andere Sinnfragen, Frauen legen andere Prioritäten. Das Exerzieren – sofern es denn überhaupt noch stattfinden soll oder muss – führt zu anderen Formationen, erfährt eine andere Bedeutung. Frauen haben Fertigkeiten, welche die nach wie vor übertriebene Betonung der körperlichen Leistungsfähigkeit relativieren (wie sie in besagtem Interview aber doch auch wieder angeführt wird).

Die Schweizer Armee hat sich auf neue Bedrohungslagen einzustellen – wie Cyberattacken oder Flüchtlingsströme. Kein Mensch, auch nicht die hart gesottensten Militärbefürworter, werden das infrage stellen. Womit die sozialen und psychologischen Fähigkeiten in den Vordergrund rücken – und damit auch die Frauen. Dass Frauen im Vergleich mit Männern oft ein besseres psychologisches Gespür haben, hat die «unverdächtige» israelische Armee schon längst begriffen. Überdurchschnittlich oft werden dort Frauen in der «psychologischen Kriegsführung» und als Instruktorinnen eingesetzt.

Der Vorschlag des Korpskommandanten hat also durchaus seine Berechtigung. Trotzdem ärgere ich mich. Denn er ist zu wenig durchdacht. Wenn es den Verantwortlichen wirklich darum geht, mit den Frauen die bekannten Rekrutierungsprobleme der Schweizer Armee etwas zu mindern, hätte man den Versuchsballon nicht nur in die Luft steigen lassen sollen. Man hätte auch dafür sorgen müssen, dass der Ballon in der Luft bleibt. Es blieb aber beim Vorschlag.

Mit keinem Wort wird skizziert, wie dieser Informationstag ausgestaltet würde. Ebenso wenig sind Begleitmassnahmen ersichtlich, ganz im Gegenteil. Informiert man sich auf der Homepage des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport über Frauen in der Armee, stösst frau auf eine komplett antiquierte Informationsbroschüre: «Als Frau in der Armee sind Sie den Männern gleichgestellt. Sie können bei entsprechender Eignung alle Funktionen übernehmen und alle Grade erreichen. Es gilt der Grundsatz «gleiche Leistung – gleiche Chancen». Wagen Sie diesen Schritt! Es braucht Mut – genau das zeichnet Sie aus!»

Es braucht heutzutage gewiss keinen besonderen Mut, bei der Armee mitzumachen. Frauen sind selbstbewusst genug, das mitleidige Lächeln ihres zivilen Umfelds zu kontern, wenn sie sich als Wehrpflichtige stellen wollen. Es geht ihnen auch nicht mehr um die Gleichstellung, sondern um die Einsicht, dass mehr Frauen einer modernen Armee mit ihren neuen Herausforderungen gut anstehen würden. Noch lächerlicher wird die Broschüre mit folgender zweifelhafter Aussage: «Die Armee bietet Ihnen die Möglichkeit, in für Frauen untypischen Bereichen Fuss zu fassen.» Illustriert wird diese Aussage ausgerechnet durch ein Foto, das eine Frau im Krankenzimmer zeigt. Als ob das ein für Frauen untypischer Bereich wäre!

Es braucht mehr als einen unausgegorenen Gedanken des Korpskommandanten und ein nach wie vor antiquiertes Bild von Frauen in der Armee. Warum verfolgt man nicht den Vorschlag einer Denkfabrik wie Avenir Suisse, die den Ersatz der derzeitigen Wehrpflicht durch einen allgemeinen Bürgerdienst für Frauen und Männer vorschlägt? Das Ziel wäre übrigens das gleiche wie das des Kommandanten, nämlich Frauen und Männer gleichermassen in die Pflicht zu nehmen.

Esther Girsberger ist Publizistin, Moderatorin, Dozentin und Verfasserin mehrerer Bücher. Als Journalistin war sie unter anderem Chefredaktorin des «Tages-Anzeigers». Die ausgebildete Juristin (Dr. iur.) ist verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie ist Mitglied des Publizistischen Ausschusses der AZ Medien.