Eine Messe ist ein Markt. Hier wird Ware verkauft. Egal ob Autos, Uhren, Baustoffe – oder Kunst. Auch die Art Basel muss sich nach den Gesetzen des Marktes richten. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Kein Problem, müsste man meinen. Es gibt immer mehr Sammler und immer mehr Reiche mit noch mehr Geld, das sie in Kunst anlegen.
Im Vorfeld der Art Basel machten die Galeristen – wie immer – optimistische Voraussagen, weil Kunst «so wonderful» ist und den Menschen mehr Freude verschafft als Aktien. Kaum war in Basel die VIP-Preview eröffnet, machten Meldungen von Millionen-Verkäufen die Runde . . . Gott sei Dank, der Kunstmarkt boomt weiter! Euphorie herrscht.
Etwas leiser sprach man auch von Unsicherheit. Amanda Coulson, Direktorin der Parallelmesse Volta, bestätigt die Nervosität von Händlern und Sammlern. Terror-Anschläge, Flüchtlingskrise und Amok-Attentate drücken auf die Stimmung. Nicht nur im Bereich der Gefühle angesiedelt, sind die schlechten Marktwerte aus dem Fernen Osten.
In China gab es 2015 erstmals Umsatz-Einbrüche im Auktionsmarkt. Diesen Frühling schlossen die grossen New Yorker Auktionen durchzogen, und die Umsätze der Schweizer Auktionen waren auch schon höher, als sie sich für diesen Sommer abzeichnen. Selbst der zurückhaltende Art-Basel-Direktor Marc Spiegler sprach bei der Eröffnung am Dienstag von «unsicheren Zeiten». Es brauche eine noch stärkere Messe.
Er meinte damit ein möglichst marktfähiges Angebot. Kunsthistorisch abgesicherte Ware also, nicht zu viele Experimente. Die von der Messe kuratierte Art Unlimited ist mit vielen Werken aus den 1960er- bis 1980er-Jahren ein gediegenes Abbild dieser Haltung. Allerdings vermisst man nun Übermut, bissige Ironie und poetische Schönheit.
Die Händler scheinen Spieglers Einschätzung zu teilen: Big Names und gekonnt Gemachtes dominieren. Erfolg hat, wer die alten treuen Kunden umgarnen und gleichzeitig neue, jüngere Sammler gewinnen kann. Dieser Spagat gelingt nicht allen. In manchen Ständen muss man vor lauter Kauf- und Schaulustigen um die Kunstwerke fürchten. Bei anderen herrscht deprimierende Leere. Es braucht Augenfänger, aber nicht zu grelle.
Mit Spitzenwerken müsse man seine Potenz zeigen, dürfe aber das nicht ganz so Teure nicht verstecken, erklärt eine erfolgreiche Händlerin ihre Strategie der Widersprüche. Man müsse Kunden informieren, neugierig machen, damit der Stand von der ersten Messeminute an gut besucht sei. Eine Galerie, in der das Geschäft läuft, wirkt attraktiv. Attraktiv wirkt auch, wer den Zeitgeist trifft. Wer also früh merkt, dass Pop Art wieder in, dass Video nur in raffinierter Verpackung gefragt und bei der Fotografie das schusselig Hässliche vorbei ist.
Das sind Erfahrungswerte, Bauchgefühle der Händler. Ob ihr Geschäft läuft, ob ihre Kasse Ende Messe stimmt, bleibt ihr Geheimnis. Selbst die Art Basel erfährt nicht, wie viel bei ihr umgesetzt wird. Noch weniger weiss man, wohin der Markt steuert, welchen Einfluss die Online-Plattformen erreichen können oder wie viele neue Messen der Markt noch trägt.
Das wollen die Art Basel und ihr Hauptsponsor, die Grossbank UBS, genauer wissen. In ihrem Auftrag soll Fachfrau Clare McAndrew einen neuen, jährlichen Kunstmarkt-Report verfassen. Weil sie als unabhängige Forscherin auf mehr Zahlen Zugriff habe, erklärt uns Art-Basel-Pressefrau Dorothee Dines, könne sie allen Akteuren Fakten und damit Sicherheit für ihre Entscheide liefern.
Gross geworden ist die Art Basel aber nicht, weil sie auf Sicherheit setzte, sondern weil sie immer wieder Abenteuer wagte. Die Expansion nach Miami sicherte ihr einen Anteil am amerikanischen Markt, bevor die New Yorker Messen wieder erstarkten. Mit dem Schritt nach Hongkong schaffte sie den Zugang zum asiatischen Boom-Markt.
Im Gegenzug kämen nun aber weniger Amerikaner und Asiaten nach Basel, sagt Volta-Direktorin Amanda Coulson. Das spüre man, auch bei der Stimmung. Umso mehr muss die Art Basel ihre Kunden aus Übersee verwöhnen. Dass sie mit der neu eingeführten Taschenkontrolle am Eingang den Menschen mehr Sicherheitsgefühl vermittelt, aber selbst VIPs mit Schlangenstehen im Regen bestraft, ist nur ein kleiner, aber auffälliger weiterer Widerspruch.