Begegnet man in der Stadt Zürich einer Ratte, lässt einen das leer schlucken. Weil sie gefährliche Krankheiten übertragen können, werden Ratten bekämpft – häufig mit langsam wirkendem Gift.
Kürzlich war ein Pendler gegen 12 Uhr nachts mit dem öffentlichen Verkehr auf dem Nachhauseweg. Im Bahnhof Stettbach wechselte er die S-Bahn. Die Wartezeit verbrachte der Mann in einem der beiden Glashäuschen im unterirdischen Bahnhof. Aus dem Augenwinkel nahm er plötzlich eine Bewegung wahr. Er schaute genauer hin und entdeckte zu seiner Überraschung eine Ratte, die sich an einem Abfallkübel zu schaffen machte. Bald kamen ein zweites und ein drittes Tier zum Vorschein. Schliesslich war es ein Quartett.
Der Mann hatte zuerst seinen Augen nicht getraut. Jetzt wurde es ihm etwas «gschmuch». Eher als am Rande der Stadt Zürich hätte er Ratten im Zentrum eines Slums vermutet.
«In Zürich haben wir nur wenig Probleme mit Ratten», sagt Isabelle Landau von der Schädlingsprävention und -beratung der Stadt Zürich auf Anfrage. Die Abteilung ist unter anderem zuständig für die Bekämpfung von Ratten auf öffentlichen Grund. Und so horcht Landau auf, als sie von den Ratten am Stettbach erfährt. «Dem werde ich gleich nachgehen», sagt sie. Die Tiere können sich rasch vermehren, und Populationen ab 30 bis 40 Tieren wolle man vermeiden. Wanderratten (Rattus norvegicus) heissen die Tiere, die bei uns heimisch sind. Sie würden sich dort wohlfühlen, wo sie Nahrung finden, und deshalb auch in der Nähe von Menschen.
Die Tiere können auf ihrem Weg durch Abfalleimer, durch die Kanalisation, über Komposthaufen und andere Orte in Kontakt kommen mit einer Vielzahl gesundheitsschädigender Keime. Und sie können diese Krankheitserreger verschleppen. Von mehr als 50 ernsthaften Krankheiten ist die Rede. Dazu gehören Salmonellen, Leberentzündung und Toxoplasmose.
Ratten im öffentlichen Raum zu bekämpfen, ist nicht ganz ohne. Laut Landau sind Blutgerinnungshemmer, sogenannte Anticoagulanzien oder Cumarin-Derivate, am wirksamsten. Die Wirkung ist verzögert, und das macht die Ratten nicht skeptisch. Akute Gifte funktionieren bei den in Sozialverbänden lebenden Ratten nicht, weil sie Nahrung, neben der eine Ratte gestorben ist, nie wieder anrühren. Nehmen Ratten die beschriebenen Gifte auf, verenden sie innert zwei bis fünf Tagen. Das Problem: Das Gift ist auch für andere Tiere und für Menschen problematisch. Im Fokus sind beispielsweise Hunde. «Sie sind neugierig und schlingen alles hinunter», sagt Landau.
Um das Risiko für sogenannte Nichtzielorganismen zu verkleinern, würden heute nur noch Köderboxen eingesetzt. Die Ratte muss in diese Boxe hinein, um an den vergifteten Köder heranzukommen. Andere Tiere und Menschen kommen so nicht mit dem Gift in Kontakt. «Trotzdem steht die Verwendung der starken Gifte heute etwas schräg in der Landschaft», sagt Landau. Immerhin stellt sie aber fest, dass zunehmend andere Methoden verwendet würden. Das sind beispielsweise Schlagfallen oder solche, in denen die Ratten einen elektrischen Schlag erhalten.
Für die breite Öffentlichkeit ist ein Grossteil der Gifte, die einen Blutgerinnungshemmer als Wirkstoff beinhalten, seit März 2018 nicht mehr frei erhältlich. Das hat damit zu tun, dass die Produkte für den Menschen als fortpflanzungsgefährdend eingestuft wurden.
In der Regel nicht bekämpft werden in der Stadt Zürich Ratten, die sich in der Kanalisation befinden. Es gibt eine Ausnahme: Wenn eine Ratte merkt, dass sie in eine Wohnung eindringen kann, indem sie im Abflussrohr emporklettert und durch den Siphon des WCs taucht, muss man handeln. Mietern rät Isabelle Landau in solchen Fällen, dass sie die Hausverwaltung alarmieren. Die Fachleute empfehlen keine Essensresten im WC zu entsorgen.
Dass sich das Rattenproblem in Zürich in Grenzen hält, hat auch mit der Hanglage und dem gut unterhaltenen Kanalisationssystem zu tun, wie Isabelle Landau erklärt. Bei starken Regenfällen füllen sich die Rohre der Kanalisation und Ratten, die sich nicht in eine Nebenverzweigung retten können, ertrinken und werden durch den hohen Wasserdruck weggespült.