Comics
In Winterthur wimmelt es schon bald

Die Stadt hat noch kein eigenes Wimmelbuch. Jetzt soll sie eines erhalten, sagen sich Anita Bättig und Samuel Schuhmacher. Innert dreier Tage haben sie schon mehr als die nötigen 15'000 Franken gesammelt.

Helmut Dworschak
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In Winterthur wimmelt es bald

In Winterthur wimmelt es bald

zvg
Samuel Schuhmacher und Anita Bättig präsentierten ihre Idee letzte Woche in der Winterthurer Stadtbibliothek.

Samuel Schuhmacher und Anita Bättig präsentierten ihre Idee letzte Woche in der Winterthurer Stadtbibliothek.

Marc Dahinden

In der Winterthurer Stadtbibliothek wimmelt es von Büchern. Und am Albanifest wimmelt es jeweils von Menschen. In der Winterthurer Altstadt sah es am vergangenen Wochenende aus wie in einem Wimmelbuch: Ein solches ist ein Bilderbuch aus grossen comicartigen Zeichnungen, oft mit Lokalkolorit, auf denen man viele Geschichten entdecken kann.

Für zahlreiche Grossstädte der Schweiz gibt es solche Bücher. So auch für Zürich. Aber nicht für Winterthur. Also braucht Winterthur so ein Buch. Nun könnte man sagen, in Winterthur gibt es zum Beispiel auch keinen See. Also brauchen wir einen. Den könnte aber Samuel Schuhmacher nicht herstellen. Denn der junge Mann ist Illustrator.

Gemeinsam mit der Kulturmanagerin und ehemaligen Galeristin Anita Bättig hat Schuhmacher vergangene Woche in der Winterthurer Stadtbibliothek das Projekt Winterthurer Wimmelbuch vorgestellt.

Mit Crowdfunding ans Ziel

Anlass der Präsentation war nicht das Buch. Dieses befindet sich noch im Projektstadium. Zuerst muss die Finanzierung gesichert werden. 15 000 Franken sind nötig. Am Freitagmorgen startete das Crowdfunding, am Sonntagmittag waren schon mehr als 15 000 Franken gesammelt. Das Crowdfunding läuft noch bis zum 28. August. Schuhmacher beginnt im September zu zeichnen, im Dezember soll das Buch bereits in den Läden zum Verkauf ausliegen. Gedruckt wird es in der Druckerei Mattenbach. Das Buch soll möglichst ganz in Winterthur oder in der Region produziert werden.

Kommt die Schützenwiese vor?

Geplant sind sieben Doppelseiten. Dafür sind Motive vorgesehen, die für Winterthur typisch sind, also zum Beispiel ein Blick auf die Gasse an den Musikfestwochen oder in das Stadion Schützenwiese bei einem Match des FC Winterthur. Auch weniger bekannte Szenerien mit weniger Menschen oder der neue Stadtteil in Neuhegi könnten darauf zu sehen sein, die Auswahl ist noch offen. «Was sich eignet, zeigt sich erst beim Zeichnen», weiss Bättig, die auch gelernte Szenografin ist. Schuhmacher sagte, für ihn stelle sich die Frage, wie genau er sich an die Wirklichkeit halten solle. Die Orte sollten erkennbar sein, aber er will sich auch gewisse Freiheiten erlauben.

Insgesamt sollen die sieben Seiten laut Bättig auch noch die vier Bereiche Kultur, Tourismus, Wirtschaft und Bildung repräsentieren, die die Stadt aus Sicht von House of Winterthur, wo unter anderem Standortförderung betrieben wird, auszeichnen. Denn Bättig und Schuhmacher ist es gelungen, Michael Domeisen, Direktor von House of Winterthur, ins Boot zu holen. Domeisen unterstütze das Projekt ideell und habe die Kontakte zur Druckerei Mattenbach, zur Stadtbibliothek und zu den Medien vermittelt, hiess es.

Jede Figur ernstnehmen

Viele Wimmelbücher enthalten wiederkehrende Figuren, die man auf den Bildern suchen kann. Auch das ist hier möglich. Schuhmacher hat bereits ein Testbild gezeichnet, das den Grabenplatz zeigt, und Figuren wie den Jogger, den Velokurier und den Musiker anskizziert.

Es sei ihm wichtig, jede Figur ernst zu nehmen. Er selbst möge Wimmelbücher, sagte Schuhmacher, zum Beispiel die Bücher, die unter dem Namen «Wo ist Walter?» bekannt seien: «Da stecken viele Geschichten drin, in die man eintauchen kann.» Das habe etwas Meditatives, auch beim Zeichnen. Daran hätten nicht nur Kinder Freude, ist Schuhmacher überzeugt.

Der Alltag der Stadtbewohner

Wer sich ein Bild von Schuhmachers Ideen und zeichnerischen Qualitäten machen will, kann sich bis zum 12. Juli seine Comics im Bistro der Alten Kaserne Winterthur ansehen. Der 1993 in Hettlingen geborene und heute in Winterthur lebende Künstler hat den Alltag der Stadtbewohner «vor und hinder em Gartehaag» festgehalten. Es sind lustige und leise, immer liebevolle Geschichten, sie erzählen von Nachbarn beim Grillieren oder von Ausflügen mit Kindern, die, so ist das heute nun einmal, unbedingt ein cooles Trottinett und die Drohne dabeihaben wollen.

Auf der Website www.sackgasscomic.ch veröffentlicht Schuhmacher zudem einen Webcomic, in dem man die Bilder waagrecht scrollen kann. Sein Instagram-Comic-Adventskalender 2018 ist im Mai im bekannten Comicmagazin «Strapazin» erschienen. Von sich reden machte Schuhmacher schon 2011: Als damals 17-jähriger Gymnasiast gewann er am Comicfestival Fumetto in seiner Kategorie den dritten Preis.

Stresslindernd

Schuhmacher, der vor zwei Jahren in Luzern sein Studium als Illustrator abgeschlossen hat, arbeitet freischaffend. Wimmelbilder erstellt er für private und institutionelle Auftraggeber, darunter etwa die Hochschule Luzern. Einem Bild für die Verkehrsplanung, das das Chaos während der Rushhour zeigt, habe er die Anweisung mitgegeben: «Suche einen, der nicht gestresst ist.» Die Aufgabe war nicht leicht zu lösen – und sie dürfte den, der sich auf die Suche machte, vom Stress befreit haben.

Wer das Buch mit einem Beitrag zwischen 30 und 550 Franken unterstützt, bekommt ein Geschenk, oder Goodie, wie es in der Sprache der Kulturmanagerin heisst. Die Palette reicht von Postkarten über Bücher bis hin zur Möglichkeit, selbst im Buch abgebildet zu werden. Letzteres sei aber «natürlich limitiert», sagte Bättig. Ferner werden auch Sponsoren gesucht, die ihren Namen auf den Bildern wiederfinden wollen. Etwa als Bandenwerbung im Stadion Schützenwiese. Oder als Firmenlogo auf dem LKW, wie er auf dem Testbild parkiert. Dies solle «natürlich wirken», sagte Bättig.