Energiewende
Zürcher Kantonsregierung will Klimaziel möglichst schneller als der Bund erreichen

Am 15. Mai entscheidet das kantonale Stimmvolk über den Klimaschutzartikel. Im Vorfeld der Abstimmung hat der Zürcher Regierungsrat nun seine Klimastrategie vorgelegt. Er will etwas schneller sein als der Bund und peilt netto null CO2 bis 2040 an.

Matthias Scharrer
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Um seine Klimaziele zu erreichen, setzt der Zürcher Regierungsrat auch auf mehr Wasserstofftankstellen.

Um seine Klimaziele zu erreichen, setzt der Zürcher Regierungsrat auch auf mehr Wasserstofftankstellen.

Severin Bigler

Der Krieg in der Ukraine habe das Bedürfnis nach Unabhängigkeit von Erdöl- und Erdgasimporten vermehrt ins Bewusstsein gerückt, sagte Baudirektor Martin Neukom (Grüne) am Dienstag bei der Präsentation der regierungsrätlichen Klimastrategie vor den Medien. «Wir müssen wegkommen von den fossilen Brennstoffen, sowohl aus umwelt- als auch aus sicherheitspolitischen Gründen», doppelte Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) nach.

Der Zürcher Regierungsrat habe seine Klimastrategie allerdings schon vor dem Ukrainekrieg erarbeitet, betonte Neukom. Erklärtes Ziel: Der CO2-Ausstoss, der hauptsächlich beim Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entsteht, soll im Kanton Zürich möglichst bis 2040 auf netto null sinken, spätestens aber bis 2050. Letzteres wäre im Einklang mit der Strategie des Bundes, ersteres um zehn Jahre schneller.

Von sechs Millionen Tonnen CO2 auf null

Doch wie will die Zürcher Regierung dieses Ziel erreichen? Aktuell liegt der jährliche CO2-Ausstoss im bevölkerungsreichsten Kanton bei knapp sechs Millionen Tonnen. Die wichtigsten Faktoren dabei sind Gebäude und Verkehr. Sie machen zusammen rund 70 Prozent des hiesigen CO2-Ausstosses aus. Dieser gilt als Hauptgrund für die Klimaerwärmung, die sich zunehmend in Wetterextremen auswirkt und hierzulande insbesondere der Landwirtschaft zu schaffen macht, wie Neukom sagte.

In seiner Klimastrategie setzt der Regierungsrat auf diverse, teils schon lancierte Massnahmen:

  • Das vergangenen November angenommene kantonale Energiegesetz verlangt den Ersatz von Öl- und Gasheizungen durch solche, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Zudem müssen Häuser einen Teil ihrer benötigten Energie künftig selbst erzeugen, etwa mit Solaranlagen.
  • Weiter kündigte Walker Späh an, noch dieses Jahr einen Rahmenkredit für Elektromobil-Ladestationen und Wasserstofftankstellen beim Kantonsrat zu beantragen. Dies soll die Abkehr von fossilen Brennstoffen im Verkehr vorantreiben. Laut der FDP-Regierungsrätin waren letztes Jahr 45 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge entweder hybrid oder ganz elektrisch respektive mit Wasserstoff unterwegs.
  • Die öffentliche Hand will mit gutem Beispiel vorangehen: So setze der Kanton beim Fahrzeugkauf auf Elektromobile, etwa für die Polizei und bei Kehrfahrzeugen. Im Zürcher Verkehrsverbund sollen die noch vorhandenen 700 Dieselbusse bis 2035 durch Elektrobusse ersetzt werden.
  • Beim Bauen wolle der Kanton vermehrt darauf achten, sogenannte graue Energie zu vermeiden, etwa durch den Einsatz von Holz statt Beton als Baustoff. Als Beispiel nannte Baudirektor Neukom das auf dem jetzigen Kinderspital-Areal geplante Zentrum für Zahnmedizin, das grossteils aus Holz gebaut werde.
  • Der Anteil des Veloverkehrs soll bis 2030 von knapp sechs auf acht Prozent aller Strecken steigen. Walker Späh knüpft damit an das Gesamtverkehrskonzept an, das sie 2018 präsentierte. Sie setzt auf mehr Veloabstellplätze bei Bahnhöfen sowie den Bau von Veloschnellrouten und verbesserte Velowege.
  • Nachdem in der Coronapandemie viele Leute wieder aufs Auto umgestiegen seien, müssten die öffentlichen Verkehrsmittel wieder attraktiver gemacht werden, sagte Walker Späh. Dazu beitragen solle etwa die Eröffnung der Limmattalbahn Ende dieses Jahres und der geplante Ausbau der Glatttalbahn.

Laut Neukom sind für die Umsetzung der Klimastrategie im Kanton Zürich in den nächsten zwei Jahrzehnten gesamtgesellschaftlich Investitionen von rund 20 Milliarden Franken nötig. Etwa ein Fünftel davon entfalle auf den Kanton. Auch die Wirtschaft sei gefordert, sagte Walker Späh. Dabei sei die Dekarbonisierung, also die Abkehr von Öl und Gas, auch eine Chance, um sich mit Innovationen auf dem globalen Markt zu positionieren.

Mit einem runden Tisch, an dem auch Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft sitzen, wolle der Regierungsrat nun die Klimastrategie weiter diskutieren.

Parteien zeigen sich wenig begeistert

Bei den Parteien löste die Klimastrategie unterschiedliche Reaktionen in Form von Communiqués aus: Die GLP vermisst neue Impulse. Der SP ist die Regierung zu zaghaft, die FDP zeigt sich zufrieden. Die Grünen loben Neukom und fordern, dass Walker Späh mehr für die Umlagerung des Autoverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel, Velo und Fussverkehr tue.

Mit der Klimastrategie hat der Regierungsrat auch gleich eine Diskussionsgrundlage für die am 15. Mai kommende kantonale Abstimmung über den Klimaschutzartikel gelegt. Dieser verlangt, den Klimaschutz, insbesondere die Verminderung der Treibhausgasemissionen, in der Kantonsverfassung festzuschreiben. Der Kantonsrat hat dem gegen die Stimmen der SVP zugestimmt. Weil es sich um eine Verfassungsänderung handelt, muss nun noch das Stimmvolk darüber entscheiden.