Die Transgender-Thematik wird oft noch falsch verstanden. Der Leiter der Zürcher Fachstelle für Transmenschen erklärt, warum die Darstellung in der Presse so wichtig für das Verständnis von Trans* ist.
Der diesjährige Gleichstellungspreis der Stadt Zürich geht an die Rechtsberatung vom Transgender Network Switzerland (TGNS). Es ist dies die einzige auf Transrechte spezialisierte Stelle in der Schweiz und wurde vom Juristen und früheren Co-Präsidenten von TGNS, Alecs Recher, aufgebaut, der sie auch heute noch leitet. Der Preis, der am 17. November im Stadthaus übergeben wird, ist mit 20 000 Franken dotiert. Diese Summe soll für den weiteren Ausbau der Rechtsberatung, strategische Prozessführung sowie für eine Rechtsbroschüre verwendet werden.
Dies ist notwendig, denn die Transgender-Thematik wird noch oft falsch verstanden. Besonders in den Medien finden sich Vorurteile, Missverständnisse sowie sprachliche Fehler wieder. Beispielsweise betitelte das Zürcher «CR-Magazin» im Juni ein Porträt über den Transmann Jimmy aus Thailand mit «Wurst andersrum». Freilich war die Eurovisionsgewinnerin Conchita Wurst damals in aller Munde, also bot sich der Titel wohl geradezu an. Obwohl mit den besten Absichten geschrieben, begegnen wir bereits dort dem ersten Irrtum: Bei Conchita Wurst handelt es sich um einen schwulen Mann, der als bärtige Drag Queen für Furore sorgt. Aber Conchita Wurst ist weder Transfrau noch Transmann.
«Conchita Wurst kann helfen, die Toleranz gegenüber der gesamten LGBT-Community zu stärken, aber sie steht nicht explizit für Transmenschen», so Hannes Rudolph, Leiter der Zürcher Fachstelle für Transmenschen am Zürcher Checkpoint und selbst ein schwuler Transmann. Die Wurst stehe neben ihrer oft gepriesenen Toleranz für eine Variation der Travestie. Der erwähnte Transmann Jimmy ist daher keine «Wurst andersrum».
Die Transgender-Thematik wird also falsch wiedergegeben. So ist etwa der Begriff «Transsexualität», wenn auch noch oft verwendet, missverständlich. «Die Vokabel ist eng mit der immer noch bestehenden Psychopathologisierung von Transmenschen verknüpft. Ausserdem klingt Transsexualität so ähnlich wie Hetero-, Homo- oder Bisexualität. Trans* hat aber mit Sexualität nur am Rande zu tun. Es geht darum, wer man ist und nicht, welche Art Beziehungen man hat», erklärt Hannes Rudolph. In der Community sowie bei Experten wird mit anderen Begriffen gearbeitet. Die Vokabel Trans* (mit oder ohne Sternchen) setzt sich durch.
Im Gegensatz zu Conchita Wurst spielen Transmenschen keine Rolle – sie sind das Geschlecht, dem sie sich zugehörig fühlen. Eine Gewissheit, die jede Transperson in sich trägt, seit ihr der vermeintlich «kleine Unterschied» bewusst wurde. Es geht also um die Geschlechtsidentität. «Das Geschlecht entscheidet sich im Kopf und nicht zwischen den Beinen», sagt Hannes Rudolph ganz klar. Um damit auf Jimmy zurückzukommen: Er war also nicht früher ein Mädchen und ist nun ein Mann geworden. Nein – er besass schon immer die Identität eines Mannes. Aber sein Körper passte nicht zu seiner männlichen Identität. Also wollte er diesen anpassen.
Hannes Rudolph weiss, dass dies für Aussenstehende «spitzfindig» wirken kann, es ist aber essenziell für das Verstehen der Situation, in der sich Transmenschen befinden. Nicht das «nachher» ist eine Verkleidung oder Verstellung – das Leben vorher ist die «Maskerade», die sich für Transmenschen seltsam und falsch anfühlt. Oft wird Trans* auch als «Entscheidung» bezeichnet. Aber schliesslich frage man auch keinen heterosexuellen Mann oder eine lesbische Frau, wann er oder sie sich entschieden habe, hetero- oder homosexuell zu sein. Wobei sich diese Frage natürlich auf die sexuelle Ausrichtung bezieht. Apropos: Auch Transmenschen können natürlich hetero, schwul, bi oder lesbisch sein.
Transmenschen werden auch oft auf ihren Körper oder gar ihre Genitalien reduziert. Dabei spielen die beim Leben im richtigen Geschlecht gar nicht die wichtigste Rolle. Die medizinischen Möglichkeiten, um den Körper der eigenen Identität anzupassen, werden aber immer besser. Ein weiterer Begriff betritt hier die Bühne: die «Umwandlung». Doch man spricht nicht von einer Umwandlung, sondern von einer «Angleichung». Hannes Rudolph dazu: «Da beim Phänomen ‹Trans*› biologistisches Denken nichts bringt – weil ja gerade der Körper nicht zum Geschlecht passt – muss dieser Biologismus auch in der Sprache überwunden werden. Niemand wird durch Operationen Mann oder Frau – die Leute sind es schon vorher. Und nicht alle Transmenschen lassen sich operieren.»
Ebenfalls wird in den Medien nicht selten behauptet, dass die Hormonbehandlung alles andere als gesund sei. Im Falle von Jimmy aus Thailand werden Nebenwirkungen «von Haarausfall bis zu drastisch erhöhten Krebs- und Schlaganfallrisiken» genannt. Dies sei Unsinn, so Hannes Rudolph. «Die Hormontherapie, wenn sie ärztlich überwacht wird, gilt als sicher», weiss er.
Betreffend dem Haarausfall kann auch er nur mit einem Lächeln sagen, dass die meisten Männer früher oder später darunter leiden, so auch Transmänner in entsprechender Behandlung. Zudem erhöhe sich das Krebsrisiko lediglich in einem Ausmass, wie es etwa auch von der Anti-Baby-Pille bekannt sei, so der Fachmann. Weitere Nebenwirkungen der Hormontherapie bei Transmännern seien absolut vergleichbar mit den Nebenwirkungen einer männlichen Pubertät (z. B. Akne oder vermehrtes Schwitzen). Auch das Risiko für Herz- und Kreislaufprobleme erhöhe sich analog zum Risiko, das biologische Männer haben. Es sei daher problematisch, wenn von einer «gesundheitsschädlichen» Hormontherapie die Rede sei, meint Hannes Rudolph. Dies könne Transmenschen verunsichern, die gerade in der Selbstfindung oder im Coming-out steckten.
Die Trans*-Thematik mit diesem Artikel ausreichend zu erklären, ist natürlich nicht möglich. Aber es ist wichtig für die Akzeptanz und das Verständnis gegenüber Transmenschen, dass Nicht-Betroffene einen Punkt verstehen: Die Identität ist entscheidend.