Fussball
Der Feldweibel des FC Dietikon: Pascal Stüssi schaut auf der Dornau nach dem Rechten

Pascal Stüssi ist neu auf der Dornau für Sicherheit und Qualität verantwortlich. Sein beruflicher Hintergrund qualifiziert ihn dafür wie kaum ein anderer. Aber auch ein Erlebnis am Nordkap hilft ihm, mit Gelassenheit durch den Alltag zu gehen.

Florian Schmitz
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«Das ist nicht meine Uniform, ich bin direkt von der Arbeit gekommen», sagt Pascal Stüssi und lacht. Ein gepflegtes Auftreten helfe aber bei seiner Tätigkeit.

«Das ist nicht meine Uniform, ich bin direkt von der Arbeit gekommen», sagt Pascal Stüssi und lacht. Ein gepflegtes Auftreten helfe aber bei seiner Tätigkeit.

Florian Schmitz

Als Pascal Stüssi wegen Zeitmangels als Jugendtrainer beim FC Dietikon zurücktrat, hätte er sich kaum vorstellen können, dass sich seine Kernkompetenzen nur zwei Jahre später mit den Bedürfnissen des Vereins genau überschneiden würden. Anfang Jahr beschloss er, sich wieder für den Verein zu engagieren und meldete sich beim Vorstand. Dieser hatte kürzlich entschieden, die Strukturen anzupassen und die Abläufe zu verbessern, um der Grösse von mittlerweile über 350 Junioren und gut 125 Aktiven und Senioren gerecht zu werden.

Gedanken an das Optimieren von Strukturen und Prozessen schrecken vielen Menschen ab. Stüssi dagegen setzt sich in seinem Job als Director of Security mit Verantwortung für das Quality-Management in einem grossen internationalen Hotel in Zürich tagtäglich damit auseinander.

Die logische Folge: Vor gut zwei Wochen gab der FC Dietikon bekannt, dass Stüssi neu als Qualitäts- und Sicherheitsverantwortlicher im Club amtet – mit Fokus auf den Juniorenbereich. Mit der Schaffung dieser Position geht der Club neue Wege. Doch was genau kann man sich darunter vorstellen? Bei einem Verein dieser Grösse seien gute Strukturen und Regeln unabdingbar für ein gutes Zusammenleben, sagt er. Deshalb achtet er allgemein darauf, dass die Vereinsregeln von allen eingehalten werden.

Das beginnt mit simplen Grundsätzen wie: Trainer und Spieler sind pünktlich, nach dem Training wird das Material aufgeräumt und in den Katakomben sind keine dreckigen Fussballschuhe erlaubt. Menschlich fungiert er zudem als Drehscheibe und «deeskalierende Zwischenstufe» zwischen Vereinsverantwortlichen sowie Eltern und Junioren, falls schwierige Themen aufkommen. Stüssi kann auch vermittelnd eingreifen, wenn etwa jemand den Mitgliederbeitrag nicht bezahlt. An Spieltagen soll er zudem hitzige Emotionen am Spielfeldrand wieder abkühlen.

Respekt vor dem Anzug

Konkret bedeutet das: Stüssi ist seit Anfang April an zwei bis drei Tagen pro Woche auf der Dornau präsent und schaut nach dem Rechten: «Wenn man es militärisch ausdrückt, bin ich eigentlich der typische Feldweibel», sagt er und lacht. Bei seiner Funktion geht es auch darum, die Trainer zu entlasten, indem ihnen gewisse administrative und kommunikative Aufgaben abgenommen werden. Junioren und Eltern haben den Vorteil, für ihre Anliegen neben dem Trainer und dem Juniorenobmann eine zusätzliche Ansprechperson zu haben.

Dabei spielt auch die Kleidung eine Rolle: «Es macht einen Unterschied, ob ich mit zerrissenen Jeans und T-Shirt oder adrett gekleidet mit den Leuten rede.» Er bereite sich immer seriös auf die Gespräche vor und wolle den Menschen auch mit seinem Auftreten vermitteln, dass er sie ernst nimmt und ihnen auf Augenhöhe begegnet. Ein weiterer Vorteil guter Kleidung: «Wenn ich am Sonntagnachmittag mit dem Anzug neben dem Platz stehe, sind die Trainer tendenziell eher nervös, weil sie glauben, ich sei vom Fussballverband», sagt er.

In seiner neuen Funktion beim FC Dietikon kann Stüssi auf viele Fähigkeiten aus seiner mittlerweile fast zehnjährigen Tätigkeit als Sicherheits- und Qualitätsverantwortlicher im Hotel zurückgreifen: «Das Einzige, was ich noch nicht erlebt habe, ist eine spontane Geburt», sagt er und lacht. Am Morgen wisse man nie, welche Herausforderungen einen erwarten. Das erfordere viel Gelassenheit und Flexibilität. Auch seine Krisenresistenz und die kommunikativen Fähigkeiten kommen ihm auf der Dornau zugute. Ob im Hotel oder auf dem Rasen: «Man muss dann präsent sein, wenn es brennt.»

Der FC als Spiegel der Stadt

Dass sich «das Bergkind aus Engi bei Elm im Kanton Glarus», wie Stüssi sich selbst bezeichnet, heute für ein gutes Zusammenleben im FC Dietikon einsetzt, ist kein Zufall. «Noch vor 15 Jahren sagte ich: ‹Es gibt drei Orte, da bringt mich nichts hin: Spreitenbach, Dietikon und Schlieren.› Doch dann kam die Liebe», sagt der 2008 nach Dietikon gezogene, verheiratete Vater von drei Kindern. Nach einem ersten Kulturschock im Unterland hat er sich im Limmattal gut eingelebt und fühlt sich in der «multikulturellen, urbanen Stadt mit viel Leben und Potenzial» heimisch.

Die grosse Vielfalt gefalle ihm in Dietikon sehr gut und spiegle sich auch im FC Dietikon, dessen Mitglieder aus vielen verschiedenen Nationen, Religionen und Gesellschaftsschichten stammen. Die Verbundenheit Stüssis mit Dietikon zeigt sich auch darin, dass er sich politisch engagiert. So kandidierte er am 4. März bei den Gemeinderatswahlen für die SVP. Er verpasste zwar die Wahl, holte aber beachtliche 1109 Stimmen.

Kulturelle Schmelztiegel mit vielen verschiedenen Mentalitäten sind für Stüssi Alltag: Im internationalen Grosshotel stammen die Mitarbeiter und Gäste aus unterschiedlichen Nationen und im jüngeren Alter bereiste er als Angestellter auf Kreuzfahrtschiffen während zweier Jahre die Welt. Als Owner Representative setzte er auf den Schiffen die Interessen der Reedereien durch. Die damaligen Erfahrungen – unter anderem konnte er dreimal die Polarlichter am Nordkap beobachten – und der Austausch mit fremden Kulturen begleiten ihn bis heute und helfen ihm bei seinen aktuellen Tätigkeiten.

Ruhe dank Buckelwalen

Ein Erlebnis habe ihn besonders geprägt: Als er in einem idyllischen Fjord im hohen Norden mit Kollegen von der Schiffscrew in einem kleinen Boot abseits vom Kreuzfahrtschiff am Fischen war, nahm er Bewegungen im aalglatten Wasser wahr. Plötzlich schoss wenige Meter vom Boot eine Wasserfontäne in die Höhe und die Fischer bemerkten, dass eine Familie von Buckelwalen direkt am Boot vorbeizog: «Ein Flossenschlag hätte gereicht, und wir wären mitsamt Boot weit in die Luft geflogen», sagt Stüssi. Aber die Wale zogen mit einer unglaublichen Ruhe und Friedlichkeit an ihnen vorbei: «Das hat mir aufgezeigt, wie vergänglich wir Menschen sind und wie wir in der Gesamtschöpfung nicht zuoberst auf der Leiter stehen, wie wir so oft meinen.»

Die Erfahrung helfe ihm bis heute, im Alltag Ruhe zu bewahren. Und er habe gelernt, sich weniger wichtig zu nehmen – eine wertvolle Eigenschaft zum Lösen von Konflikten. Innere Gelassenheit und Kraft schöpft er auch von seinem grössten menschlichen Vorbild: Seit er den Dalai-Lama mehrmals selbst live erlebt habe, denke er ab und zu an die beeindruckende Ausstrahlung des tibetischen Mönchs.

Seit gut zwei Wochen ist Stüssi nun mehrmals wöchentlich beim FC Dietikon vor Ort. Bisher sei seine Präsenz von allen Seiten positiv aufgenommen worden und er geniesse einen grossen Rückhalt beim Vorstand. Langsam steige auch seine Bekanntheit und mehr Menschen würden auf ihn zukommen. Zu Beginn leiste er aber auch viel Beobachtungsarbeit und analysiere den Vereinsalltag: «Insgesamt funktionieren die Abläufe im FCD recht gut; aber es gibt immer wieder Potenzial, gewisse Sachen neu anzupacken und anders zu organisieren – das ist ein guter Antrieb für mich, die Dinge gemeinsam mit dem FCD zu verbessern.»