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Leben
Die Rollenmuster wandeln sich zwar langsam, doch die Haus- und Familienarbeit erledigen nach wie vor hauptsächlich Frauen. Das zeigt eine Umfrage des Bundesamt für Statistik.
Hundertausende von Frauen zogen im Juni durch die Strassen. Sie streikten. Für Lohngleichheit. Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dass noch vieles im Argen liegt, zeigen auch die aktuellen Zahlen des Bundesamt für Statistik. Wer schaut zu den Kindern, wenn sie krank sind? Wer steht am Kochherd? Wer greift zum Staubsauger? Es sind nach wie vor hauptsächlich die Frauen.
Die klassische Rollenverteilung ist bis heute prägend. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn Kinder im Haushalt leben. Dann übernimmt in 69 Prozent der Familien die Frau mehrheitlich die Hausarbeit. In nur fünf Prozent ist der Mann dafür zuständig ‐ und in 26 Prozent der Fälle greift das Paar gleichermassen zu den Putzmitteln. Immerhin: Wer dies mit früheren Zahlen vergleicht, sieht, es tut sich was. Waren 1995 erst in 14 Prozent der Haushalte die Hausarbeit gleichmässig verteilt, sind es inzwischen fast doppelt so viele.
Ebenfalls auf tiefem Niveau verdoppelt hat sich in dieser Zeit die Anzahl Hausmänner (von zwei auf vier Prozent). Umgekehrt hat sich die Zahl der Hausfrauen halbiert (von 39 auf 20 Prozent). Anders als bei den Vätern arbeiten die meisten Mütter Teilzeit. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, weshalb die Frauen immer noch deutlich stärker im Haushalt und in die Kinderbetreuung eingebunden sind als die Männer.
Die Statistiken zeigen jedoch auch: Es gibt frauen- und männertypische Tätigkeiten. Putzen und kochen ist primär in Frauenhand. Geht es um kleinere Reparaturen oder um administrative Arbeiten kommen hingegen die Männer zum Zug. Ist ein Kind krank, bleibt meistens die Mutter zu Hause (74 Prozent). Nur bei fünf Prozent der Paare bleiben die Väter beim fiebrigen oder verschnupften Nachwuchs, 19 Prozent aller Paare teilt sich diese Pflege. Zwar helfen bei jedem dritten Paar die Eltern gleichermassen den Kindern bei den Hausaufgaben oder bringen sie in die Krippe, doch insgesamt sind die Mütter weitaus häufiger und intensiver eingespannt in die Kindererziehung als die Väter.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es wenig, dass viele Frauen davon ausgehen, dass sich die Geburt eines Kindes negativ auf ihre Karriere auswirkt. Am deutlichsten zeigt sich dies bei Frauen, die ein Studium abgeschlossen haben. So teilen 75 Prozent der kinderlosen Hochschulabsolventinnen die Befürchtung, dass ein Kind ihre beruflichen Chancen schmälert. Das ist deutlich mehr als bei gleich gut ausgebildeten Männern (37 Prozent) oder bei Frauen ohne Hochschuldiplom (62 Prozent).
Gleichzeitig ist der Wunsch nach Kinder weit verbreitet – bei beiden Geschlechtern. Die meisten Frauen und Männer zwischen 20 und 29 Jahren wünschen sich zwei Kinder. Nur neun Prozent möchte kinderlos bleiben. Andrea Mosimann vom Bundesamt für Statistik verweist auf die ältere Generation – jener der 50- bis 59-Jährigen. «Bei ihnen zeigt sich, dass die Kinderlosigkeit in der Schweiz relativ verbreitet ist», sagt sie. Zwar könnten die Generationen nicht direkt verglichen werden, aber der Kinderwunsch habe sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Das weise darauf hin, dass Frauen und Männer systematisch weniger Kinder bekommen, als sie sich ursprünglich wünschten, sagt Mosimann. Am häufigsten blieben dabei Akademikerinnen kinderlos – nämlich jede dritte.
Die Psychologin Corina Merz erforschte an der Universität Zürich zu Paaren und ihren Karrieren. Was rät sie jungen Frauen, die der Job erfüllt, die sich aber auch Kinder wünschen? «Bevor der Nachwuchs da ist, hilft es, klare Abmachungen zu treffen. Dazu gehören Fragen wie: Wer übernimmt welche Aufgaben im Haushalt? Aber auch: Wie gestalten wir unsere Partnerschaft?», sagt Merz. Die Aufteilung, wer welchen Teil der Hausarbeit und Kinderbetreuung erledigt, könne für einen gewissen Zeitabschnitte vereinbart und die Rollen danach getauscht werden.
Auch Sandra Zurbuchen plädiert dafür, die gegenseitigen Erwartungen früh zu klären. Sie ist stellvertretende Geschäftsleiterin der Fachstelle «Und», die Mütter, Väter und Firmen zu Fragen rund um die Vereinbarkeit von Familien und Beruf berät. «Berufstätige Eltern müssen genauso strukturiert den Haushalt und die Kinderbetreuung organisieren, wie sie dies im Job machen», sagt Zurbuchen.