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Ihre Restaurants sind geschlossen. Wie gehen Köchinnen und Köche mit der Krise um und wie bekochen sie ihre Familie?
Däumchen drehend sitzen sie trotz geschlossener Restaurants nicht zu Hause: die Schweizer Spitzenköchinnen und -köche. «Es gibt so viel zu organisieren», meint Vreni Giger vom Restaurant Rigiblick in Zürich. Den ersten Schock habe sie zwar verdaut, «aber ich habe sehr viel Respekt vor der wirtschaftlichen Situation». Es werde wohl in der Branche zu einer extremen Schrumpfung kommen, sagt sie. Zur Aufmunterung in verrückten Zeiten macht sich Giger eine einfache «Omelette mit Hackfleisch und Apfelmues», sagt die St.Gallerin, die mit 16 «Gault- Millau»-Punkten ausgezeichnet ist. Meist werde sie aber von ihrer Mutter bekocht. «So kann ich den zwischenmenschlichen Kontakt mit ihr pflegen.»
Auch Tobias Funke vom Restaurant Zur Fernsicht in Heiden mag in solchen Zeiten einfache Gerichte. Trotz geschlossenem Restaurant wird es dem Koch nicht langweilig. Einige seiner Mitarbeiter unterstützen verschiedene Spitäler in Appenzell Ausserrhoden, wenn Ausfälle auftreten oder die Kapazität gesprengt wird. Andere arbeiten mit bei Produzenten, die erhöhten Bedarf an Mitarbeitern haben. Zudem hat Funke einen eigenen Lieferservice und Take-away auf die Beine gestellt.
«Ich hoffe, dass wir so zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen können, dass es für alle weitergeht», betont Pascal Steffen vom «Roots» in Basel. «Ich kann nun einiges an Büroarbeit aufarbeiten, Rezepturen in unsere Vorlage übertragen, die Zeit für die Kreativität nutzen, neue Ideen aufschreiben und Probe kochen», erklärt der Luzerner. Er werde auch dieses Jahr wieder Gemüse und Kräuter einmachen. «So bereite ich alles vor, damit wir, wenn es so weit ist, loslegen können.» Auch sich selbst bekocht er jetzt mit viel Gemüse.
Freie Zeit für sich zu haben, sei für ihn eine ganz neue und sehr ungewohnte Situation, betont Flavio Fermi, Küchenchef in der «Osteria Tre» im Hotel Bad Bubendorf. Untätig ist er allerdings nicht. Die «Osteria Tre» beliefert das Personal der Kantonalbank Baselland mit einem kleinen Mittagessen. «Das gibt uns ein bisschen Struktur in diesen verrückten Tagen.» Dass er in der «Osteria» als Küchenchef und Gastgeber angestellt sei, betrachtet er als Riesenglück. «Viele Freunde von mir in der Selbstständigkeit kämpfen um ihre Existenz, und es bricht mir das Herz, zu sehen, dass, was jahrelang mit viel Herzblut erarbeitet wurde, jetzt innert Tagen und Wochen zerstört wird.»
Nach dem Credo «einfach und lecker» kocht Fermi für sich und seine Partnerin. «Zum Beispiel Fried Rice und alles, was sich schnell und einfach zubereiten lässt.»
Auch bei Nadja Schuler vom Restaurant Hirschen in Villigen AG darf es einfach sein. Ihr Sohn liebe Spaghetti, «so wird es öfters davon geben». Die Köchin führt zusammen mit ihrem Mann Stephane Wirth den Betrieb mit angegliedertem Hotel. Noch sei sie überfordert von der ganzen Situation und probiere, den Überblick zu behalten. «Ich werde die Familienzeit so geniessen, dass ich mir Zeit nehme, Eier zu färben, Bärlauch zu pflücken, eine Waldhütte zu bauen, Karten zu schreiben und mit meinem Sohn Kuchen zu backen», freut sich Nadja Schuler. Und vor allem dabei sein, wie die Tochter ihre ersten Schritte macht. «Das würde ich sonst wohl nicht so intensiv miterleben.»
«Ich habe mehr Zeit für meine Verlobte und meinen Boxerhund Duke», freut sich Tobias Funke. Auch stehe schon lange die Restaurierung des Werkzeugschranks seines verstorbenen Grossvaters an.
Er sei nun zwangsentschleunigt, meint Flavio Fermi. Aber solange er gesund sei, könne er das auch annehmen und entspannen, sagt der 36-jährige Spitzenkoch.