Dass wir nachhaltiger leben sollten, wissen wir alle. Aber wo und wie nur beginne ich damit. Aktuellen Bücher zeigen wie und ein Selbsttest ob das auch im Familienalltag funktionieren kann.
Eigentlich haben wir derzeit mit der ganzen Pandemie alle genug Sorgen. Wer will sich da auch noch mit dem Klimawandel befassen, obwohl der geht ja nicht einfach weg, der wird allein von seiner Pandemie auch nicht spürbar abgebremst. Also wann, wen nicht jetzt selbst etwas tun. Doch was? Ein ganzer Stapel von neuen Ratgeber zum Thema Ökologie und Nachhaltigkeit will darauf die richtige Antwort geben.
Also habe ich mir ein halbes Dutzend davon gekauft, Doch lauter möglichen Massnahmen und gutgemeinten Ratschlägen fühlte ich mich zuerst einmal ziemlich erschlagen. Wie soll ich da das Richtige und Relevante herausfiltern können?
Gut, im Moment bin ich als Nicht-Autofahrerin – und Pandemie-gezwungenermassen auch Nicht-Fliegerin – ganz gut aufgestellt Aber sonst? Wo aber bitte schön, fange ich damit an?
«Am besten dort, wo es am wenigsten weh tut», rät mir Stephanie Hess, die gerade das Buch «ÖKOlogisch» geschrieben hat, damit Leute wie ich nicht völlig orientierungslos durch den Themadschungel irren. Foodwaste heisst ihr Stichwort, «weil man da auf nichts verzichten muss und erst noch Geld einspart». Das heisst jedoch: besser planen, was man kochen will, bewusster einkaufen und nicht zuletzt eine gute Ordnung im Kühlschrank halten. Klingt vernünftig und machbar. Nur bedeutet das auch, dass ich mich anders organisieren muss. Einkäufe, um spontane Essgelüste zu befriedigen, liegen nicht mehr drin. Dabei mag ich es, durch den Laden zu flanieren und mich fürs Abendessen inspirieren zu lassen.
«Die Pandemie zeigt uns doch gerade, dass vieles möglich ist und wir uns verändern können», wischt die Autorin meine Einsprüche weg und fügt beruhigend an:
«Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Verzweifeln Sie nicht!»
Abgesehen davon, sei es heute schlicht noch nicht möglich, wirklich in allen Bereichen des Lebens nachhaltig zu leben. «Das hingegen befreit uns nicht davon, etwas zu tun. Also bleiben Sie dran!»
Und so stelle ich mir gerade ziemlich viele Fragen: Braucht der Kleiderkasten alle paar Monate eine Auffrischung? Wäre jetzt vielleicht der Moment, ganz auf Fleisch zu verzichten? Schliesslich wohnt im gemeinsamen Haushalt auch eine Veganerin, die mich schon beim kleinsten Salami-Rädli mit bösen Blicken abmahnt. Und wie ist das mit dem Stromverbrauch? Lieber eine Bettflasche zum Wärmen als drei Grad mehr Raumtemperatur? Vieles davon beantwortet Stephanie Hess in ihrem Buch und stellt überraschende Fakten dazu. Etwa dass keine Hennen mehr verbrannt werden müssten, wenn jede Schweizer Familie ein Suppenhuhn pro Jahr essen würde. Etwas schockiert bin ich, dass eine Tasse Kaffee sage und schreibe 130 Liter Wasser verbraucht, bis ich sie trinken kann. Und auch vom Basmati-Reis, den ich gerne zu einem Gemüsecurry esse, sollte ich lieber die Finger lassen, weil er die schlechteste Klimabilanz aller wichtigen nicht tierischen Lebensmittel aufweist.
Bald wird mir klar, dass das Klima ohne Verzicht definitiv nicht zu retten ist, was mich beinahe wieder von meinem Ziel abbringen lässt. Verzicht sei nur hart, wenn es keine gleichwertigen Alternativen gebe, beruhigt mich Umweltaktivist Christoph Schulz (www.careelite.de) und meint dazu:
«Wir sollten stolz auf die Dinge sein, die wir tun – aber eben auch auf die Dinge, die wir nicht tun.»
Mathias Plüss sagt es gerade heraus: «Ohne Verzicht kommen wir nicht zu einer klimafreundlichen Lebensweise. Das ist der Kern des nachhaltigen Lebens in allen entscheidenden Punkten – weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger Waren konsumieren, weniger Fleisch essen. Entsprechend hat er sein Buch auch mit «Weniger ist weniger» betitelt.
Er bewertet die einzelnen Massnahmen denn auch knallhart auf ihre Wirksamkeit- Und so muss ich feststellen, dass meine Plastiksammelwut eigentlich für die Füchse ist. Gibt nur einen Punkt. Dafür lockt beim Duschen schon sehr viel mehr Sparpotenzial. Da lerne ich, dass in unseren Haushalten 14 Prozent der Energie fürs Warmwasser drauf geht. Gut, habe ich mir erst kürzlich eine Sparbrause angeschafft, die den Energieverbrauch halbiert. Gibt vier Punkte.
Zum Glück finde ich noch weitere Bereiche, die wenig mit Verzicht zu tun haben. Schliesslich tut es mir nicht weh, wenn ich die Wäsche nur mit 30 Grad statt mit 60 Grad wasche. «Da lässt sich viel rausholen», versichert Plüss. Es reiche auch gegen Coronaviren, allenfalls Lappen und Handtücher mit höherer Temperatur zu waschen. Und auf den Trockner verzichten, weil dieser Energiefresser doppelt so viel Strom verbraucht wie die Waschmaschine.
Schon einiges mehr schmerzt es mich, wenn ich an meinen Kleiderschrank denke. Plüss schreibt in seinem Buch, dass 60 Prozent aller Kleider innerhalb eines Jahres im Müll landen. Und: 79 Prozent der Kleider wurden in den letzten 12 Monaten nie getragen. Ich kontrolliere mal lieber nicht, wie das bei mir aussieht. Aber Stephanie Hess’ Tipp könnte ich mir zu Herzen nehmen: Sie verweist auf das Motto der Modedesignerin Vivienne Westwood «Buy less, choose well, make it last» (weniger kaufen, sorgfältig aussuchen, beständige Qualität) und schwört auf Secondhandkleider. Immerhin habe ich in den letzten Monaten – Lockdown sei Dank – keinen Rappen in Kleider investiert.
Das Beste ist wohl, dass ich mich auf eine klimafreundlichere Ernährung fokussiere. «Sie hat, noch vor Wohnen und Mobilität, die grössten Auswirkungen auf die Umwelt, trägt sie doch in der Schweiz 27 Prozent zur Gesamtumweltbelastung bei», weiss Stephanie Hess. Weshalb ich mir den ambitionierten Vorsatz genommen habe, den Konsum von tierischen Lebensmitteln rigoros zu reduzieren und mindestens einmal die Woche ein neues Rezept auszuprobieren – aus einem veganen Kochbuch.
Bestimmt würde mir Mathias Plüss dafür fünf Punkte geben. Er empfiehlt jedenfalls, klein anzufangen, sich aber klare, konkrete Ziele zu setzen und diese auch im persönlichen Umfeld kundzutun («Das verpflichtet, seine Vorsätze einzuhalten»). Je konkreter der Vorsatz, desto eher hält man ihn ein. «Am besten agiert man nicht alleine, sondern im Verbund mit anderen Änderungswilligen
Essen: Auf Foodwaste zu verzichten, ist mit Abstand die kostengünstigste Variante, nachhaltig zu leben. In der Schweiz landen jährlich bis zu 330 Kilo Lebensmittel pro Person im Müll.
Fleischkonsum: Man muss nicht gleich zum Vegetarier oder Veganer werden. Es hilft schon viel, wenn man seinen Fleischkonsum um 50 Prozent verringert.
Wasser: Leitungswasser statt Mineralwasser trinken.
Einkaufen: Nicht mit leerem Magen einkaufen, weil man dann zu viel in den Korb legt und Gefahr läuft, Foodwaste zu produzieren.
Fliegen: Aufs private Fliegen sind die wenigsten angewiesen. Verzichtet man darauf, kann unheimlich viel CO2 eingespart werden.
Kleider: 60 Prozent aller Kleider landen innerhalb eines Jahres im Müll. Deshalb: Kleider länger tragen, weniger einkaufen und wenn, dann idealerweise Secondhand.
Duschen: Duschen statt baden. Mit einer Sparbrause in der Dusche spart man weitere 50 % der Energie.
Strom: zu einem Ökostromanbieter wechseln.
Wäsche: konsequent bei 30° waschen.
Weniger ist weniger, Mathias Plüss, Echtzeit-Verlag, 168 S., Fr. 27.-
Handliches, übersichtliches Nachschlagewerk mit Massnahmen und Fakten mit 93 Einträgen, die mit ein bis fünf Punkten über ihre Wirksamkeit bewertet werden. Wer will, kann also sofort beginnen und muss nicht auf politische Massnahmen warten. Aber ohne etwas Verzicht geht’s leider nicht.
ÖKOlogisch, Stephanie Hess, Beobachter Edition, 176 S., Fr. 39.-
Wer sich mit einem nachhaltigeren Lebensstil befassen will, stösst auf viele Fragen und beinahe ebenso viele unterschiedliche Antworten. Dieser Ratgeber zeigt Fakten auf, bietet spannende Alternativen und lehrt, wie man das Konsumverhalten nachhaltiger gestalten kann.
Nachhaltig Leben für Einsteiger, Christoph Schulz, mvgverlag, 304 S., Fr. 24.90
Der Umweltaktivist erklärt in einfachen Schritten, wie man ein nachhaltiges Leben führen kann und gibt dabei einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Themen: von Ökostrom und Slow Fashion bis hin zur Geldanlage, Ernährung und Freizeitaktivitäten.
Nachhaltig Leben – die Challenge, Christoph Schulz, Carolina Graf, mvgverlag, 192 S., Fr. 19.90
Christoph Schulz und Carolina Graf haben 70 kreative Challenges zu den Bereichen Zuhause, Ernährung, Einkaufen und Freizeit entwickelt, mit denen der Start in ein umweltfreundliches Leben gelingt.
Iss dich grün, Anina Gepp, AT-Verlag, 224 S., Fr. 31.90
Gesund und nachhaltig kochen tut nicht nur uns gut, sondern auch der Umwelt. Foodstylistin Anina Gepp zeigt, wie einfach, lecker und obendrein günstig die nachhaltige Küche sein kann. Gekocht wird regional, saisonal und rein pflanzlich, aber ohne Verzicht.
#bewusst wie – nachhaltig und ganzheitlich konsumieren, Werdverlag.ch, 404 S., Fr. 39.-
Dieser umfangreiche Guide listet Adressen der Kategorien Restaurants/Essen, Einkaufen, faire Kleidung, Secondhand, Kosmetik und Produzenten der 13 grössten Schweizer Städte auf und gibt Tipps für ein nachhaltigeres Leben.