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Leben
Daniel Koch vom BAG wird plötzlich ungewohnt konkret, was den Umgang mit Enkeln betrifft: Umarmen sei völlig okay, man müsse nicht warten bis zur Impfung, sagt er.
Dass die Kinder nicht die grossen Virus-Überträger sind, das hat Daniel Koch schon vor einer Woche an der Medienkonferenz gesagt. Aber er und der Bund rieten dennoch davon ab, dass die Grosseltern ihre Enkel wieder hüten, und man verstand: Abstandhalten ist bis auf Weiteres angesagt. Nun sagt er in einem Interview, diese Erkenntnis bedeute, «dass man die Enkelkinder auch wieder einmal in die Arme nehmen darf».
Das ist eine überraschende Aussage des obersten Gesundheitshüters der Schweiz und eine mit grossen Konsequenzen für Grosseltern, Enkel und die Eltern. Nicht nur Senioren gingen bisher davon aus, räumlich getrennt zu ihren Enkeln warten zu müssen, bis ein Impfstoff gefunden ist. Denn Social Distancing funktioniert besonders mit kleinen Kindern nicht: Wenn der Enkel plötzlich auf die Grossmutter zurennt, ist es schwer, sich abzuwenden – oder die Enkelin nicht aufzuheben, wenn sie hingefallen ist.
Daniel Koch sieht also keine grosse Gefahr mehr darin. Mehr noch, laut ihm ist das Risiko gleich null, die Enkel in den Arm zu nehmen: «Da riskieren Sie nichts.» Das Interview wurde zuerst online publiziert und wird in der nächsten Ausgabe des Magazins «Grosseltern» erscheinen.
Vom Hüten rät Koch dennoch weiterhin ab, denn: «Sehen Sie, das Problem sind eigentlich die Eltern. Sie übertragen in der Regel das Virus, nicht die kleinen Kinder. Gefährdet jedoch sind die Grosseltern. Also darf man die kleinen Kinder wieder einmal umarmen, solange man Abstand zu der mittleren Generation hält.»
Das heisst: Auf einen Besuch und die schmerzlich vermisste Umarmung vorbeikommen, aber sich nicht grad tageweise im Haushalt der Enkel aufhalten. Auch im eigenen Haus – in sicherer Distanz zur mittleren Generation – zu hüten, ist laut Bundesamt für Gesundheit keine Option. Denn bei der Übergabe gehe das Distanzhalten zur mittleren Generation schnell vergessen. Und während eines Hütetages würde man sich nicht nach jeder Umarmung die Hände waschen.
Man könne das Kind im Kinderwagen den Grosseltern zuschieben, sie könnten es herausnehmen und eine Weile im Arm halten. Oder der Zweijährige renne zu den Grosseltern, während die Eltern mit Abstand warten. Und danach werden die Hände gewaschen. Das rät die «Grosseltern»-Magazin-Redaktion aufgrund des geführten Interviews.
Koch warnt aber vor einem gemeinsamen Ausflug wie einem Grillieren im Wald: «Hier wird’s schon wieder schwieriger. Selbstverständlich dürfen Sie in den Wald, solange Sie den Abstand wahren. Die Gefahr besteht aber darin, dass man bei gewohnten Sachen – wie dem ungezwungenen Zusammensein – sehr schnell in alte Verhaltensmuster fällt und den Abstand vergisst. Deshalb sagen wir, dass sich die Generationen weiterhin separieren sollen. Die Grosseltern sollten allein spazieren gehen.»
Weil Koch das Risiko bei der mittleren Generation sieht, rät er den Senioren auch davon ab, jetzt gleich zum Coiffeur zu gehen, wenn die Salons wieder öffnen. Es lohne sich, ein wenig zu warten. «Denn wenn es so weitergeht, wie es die letzten Wochen gelaufen ist, dann wird das Risiko immer kleiner. Und wenn das Risiko wirklich klein ist, wird alles wieder viel normaler. Schon in ein paar Wochen können wir vieles besser abschätzen.»
Das tönt nach der üblichen vorsichtigen Zurückhaltung – die nun aber nicht mehr fürs Umarmen gilt. Das dürfte eine grosse Erleichterung sein für viele. Allerdings ging nach der Publikation des Interviews auf den sozialen Medien die Post ab, der Beitrag wurde rege geteilt und kommentiert.
Während die einen erleichtert bis hocherfreut reagierten und froh waren um diese sehr konkrete Aussage, fanden andere das Interview verwirrend oder zweifelten sogar dessen Echtheit an. Jemand schrieb auf Facebook: «Totale Widersprüche. Da soll noch jemand durchblicken. Entweder soll man sich von den Grosseltern fernhalten, egal ob 2, 3, 5, 10 Jahre oder älter, oder man darf den Kontakt wieder voll aufnehmen.»
Wer einer Umarmung nach wie vor skeptisch gegenübersteht, der bekommt von Koch noch einen – weniger irritierenden – Hoffnungsschimmer bezüglich Hüten: Man müsse nicht warten, bis eine Impfung da sei, bis man die Enkel wieder hüten könne. «Wenn man im Sommer sieht, dass das Risiko auch für die älteren Personen genug klein ist und man die verschiedenen Ansteckungsecken unter Kontrolle hat, dann wird einiges auch für die ältere Bevölkerung möglichst normal sein.»
Händeschütteln solle man jetzt mal für eine Weile vergessen, wie auch das nahe Beisammensein mit verschiedenen Menschen, so Koch. «Aber Sachen, die sehr wichtig sind fürs Leben, wie eben die eigenen Grosskinder zu hüten, sollen dann möglich sein.»