Corona-Studie
Proben von Coronatoten zeigen: Wegen Covid-19 erkranken Patienten an Diabetes

Einige Patienten entwickeln mit Covid-19 im Zuge der Infektion eine Zuckerstoffwechsel-Krankheit. Zellen der Bauchspeicheldrüse werden befallen und zerstört wie eine Studie mit Beteiligung der Universität Basel zeigt.

Bruno Knellwolf
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Diabetes-Patienten müssen ihren Insulinspiegel dauernd kontrollieren.

Diabetes-Patienten müssen ihren Insulinspiegel dauernd kontrollieren.

Christian Beutler / KEYSTONE

Diabetes ist ein Risikofaktor für eine Coronaerkrankung. Nun zeigt eine internationale Studie mit Beteiligung der Universität Basel, dass umgekehrt Menschen wegen Covid-19 an Diabetes erkranken können. «Man geht davon aus, dass rund 15 Prozent der Coronapatienten mit schweren Verläufen einen Diabetes entwickeln», sagt Mathias Matter vom Institut für Pathologie vom Universitätsspital Basel.

Wie lange Diabetes bestehen bleibt, ist noch nicht klar

Noch könne man aufgrund der aktuellen Studienlage nicht sagen, wie häufig eine durch Covid-19 entstandene Diabetes über längere Zeit bestehen bleibt. Es gebe Bestrebungen dieser Frage mit einer gross angelegten Studie nachzugehen. «Bei der Mehrheit der hospitalisierten Patienten normalisiert sich der Zuckerstoffwechsel innerhalb weniger Wochen», sagt Matter. Ein kleinerer Anteil könne wohl über mehrere Monate einen gestörten Zuckerstoffwechsel erleiden. Es gebe Hinweise, dass bei Betroffenen mit Long-Covid, also mit anhaltenden Beschwerden nach der Infektion, auch mehrere Wochen bis Monate danach noch ein Diabetes feststellbar sei.

Aufgrund der Studienresultate wird nun versucht, eine mögliche Diabetes bei schweren Verläufen zu verhindern. Matter sagt:

«Natürlich bleibt die Impfung der beste Schutz.»

Aber man könnte zudem Medikamente entwickeln, welche die Rezeptoren blockieren, die vom Coronavirus benötigt werden, um in die Zellen der Bauchspeicheldrüse zu gelangen. Um dies zu erforschen, wären aber ausgedehnte klinische Studien notwendig.

Entstehung anderer Krankheiten wird mit Viren in Verbindung gebracht

Bekannt ist, dass Viren verschiedene Krankheiten auslösen können, so zum Beispiel die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose. «In der Tat wird die Entstehung verschiedener Autoimmunerkrankungen mit Viren in Verbindung gebracht, wenn auch die Details dazu noch nicht ganz klar sind», sagt Matter. «Eine Coronainfektion kann bei bestimmten Patienten ein Überschiessen des Immunsystems bewirken, was zu einem schweren Verlauf führen kann», sagt Matter. Ebenfalls wisse man, dass gewisse Patienten eine Reihe von Autoantikörpern produzieren können. Weiter geht man davon aus, dass das «kindliche inflammatorische multisystemische Syndrom» (PIMS) durch Sars-Cov2 ausgelöst werden kann. «Es ist daher möglich, dass das Coronavirus auch noch weitere Erkrankungen auslösen kann», sagt Matter.

Matter war Leiter des Anteils der Studie, die in Basel durchgeführt wurde. Das internationale Forschungsteam unter Leitung der Stanford University konnte in der im Fachjournal «Cell Metabolism» publizierten Studie zeigen, dass das Coronavirus die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse infizieren kann. Beta-Zellen produzieren das Hormon Insulin, das Gewebezellen dazu anregt, Zucker aus dem Blut aufzunehmen – und dadurch den Blutzucker zu senken.

Proben von sieben Coronatoten in Basel

In Basel analysierten die Forscher Gewebeproben sieben verstorbener Covid-19-Patientinnen und -Patienten aus der Region. Die Analyse zeigte, dass sich in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse der Verstorbenen Sars-CoV-2 nachweisen liess. Obwohl Sars-CoV-2 sonst im Lungengewebe ein Protein namens ACE2 als Eintrittspforte in die Zellen nutzt, das in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse fast nicht zu finden ist.

Deshalb enthielten diese Zellen grosse Mengen des Proteins Neuropilin 1 (NRP1), welches das Virus alternativ zu ACE2 als Eintrittspforte nutzt. Wenn die Forscher Neuropilin 1 mit einem Hemmstoff blockierten, gelang es dem Virus viel schlechter, in die Zellen einzudringen. Das könnte ein Ansatz für eine Therapie sein.