Startseite
Leben
Das Smartphone beobachtet das Coronavirus – überwacht es gleichzeitig die Menschen? Die neue App wirft Fragen auf. Wir geben Antworten.
Heute Donnerstag geht es los. Nach einem Monat Pilotphase wird "SwissCovid", die offizielle Tracing App der Schweiz, für die breite Öffentlichkeit freigegeben. Sie soll feststellen, wer mit an Covid-19 erkrankten Menschen in Kontakt gekommen ist. Was taugt die App und wie funktioniert sie? Wir haben sie unter die Lupe genommen.
Sie registriert, wenn sich zwei Smartphones mit installierter App innert eines Tages während mehr als 15 Minuten näher als 1,5 Meter kommen. Wird eine Person positiv auf Covid-19 getestet, kann sie dies in die App eingeben. Andere Nutzerinnen und Nutzer, die ihr in der ansteckenden Phase nahegekommen sind, werden automatisch und anonym über die mögliche Ansteckung informiert.
Die App schützt niemanden direkt von einer Ansteckung. Sie dient dazu, mögliche Ansteckungen möglichst schnell zu identifizieren. Somit können Betroffene rasch isoliert werden, damit sich das Virus nicht weiter verbreitet.
Die Warnung verpflichtet zu nichts. Die App empfiehlt einen Anruf bei der Infoline des Bundesamts für Gesundheit. Wer keine Symptome hat, kann grundsätzlich weiterhin arbeiten gehen. Nur wenn jemand mit Arztzeugnis oder aufgrund einer behördlichen Anordnung in Quarantäne geht, ist der Arbeitgeber verpflichtet, weiter Lohn zu zahlen. Der Labortest aufgrund von App-Verdachtsmeldungen soll für die Betroffenen kostenlos sein – so hat es das Parlament beschlossen, die Umsetzung ist aber noch unklar.
Die Nutzung der Tracing App ist freiwillig. Je mehr Menschen sie nutzen, desto schneller können Ansteckungsketten gestoppt werden. Damit sinkt auch das Risiko, dass wieder strengere obligatorische Massnahmen in Kraft gesetzt werden.
In den App Stores von Android und Apple ist «Swisscovid» bereits zu finden, noch ist die Nutzung aber nur bestimmten Personengruppen gestattet, zum Beispiel Mitarbeitenden von Spitälern. Wer die Pilotversion installiert hat, kann am Donnerstag ein Update herunterladen.
Die App ist kostenlos sowohl für Android als auch für iPhone erhältlich. Es muss eine aktuelle Version des Betriebssystem installiert sein, mindestens iOS 13 oder Android 6.
Das Erfassen der Kontakte funktioniert ohne Internet. Jedoch können die Warnmeldungen erst empfangen werden, wenn das Telefon mit dem Internet verbunden ist. Dazu reicht es aber, sich zum Beispiel einmal täglich in ein WLAN-Netz einzuwählen. Immer eingeschaltet sein muss dagegen die Bluetooth-Funktion. Im Flugmodus kann die App nicht arbeiten.
Das Smartphone registriert, in der Nähe welcher Geräte es sich befindet. Die Daten werden lokal auf dem Smartphone gespeichert, aber nirgends an einer zentralen Stelle. Nach drei Wochen werden sie gelöscht. Bei Android-Phones muss die Standortermittlung eingeschaltet sein, damit Bluetooth funktioniert – der via GPS ermittelte Standort wird aber nicht erfasst. Laut dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten ist die App datenschutzkonform.
Entwickelt wurde sie vom Bund zusammen mit den beiden Eidgenössisch Technischen Hochschulen Zürich (ETH) und Lausanne (EPFL) und der Schweizer Softwarefirma Ubique. Lanciert wird sie nun vom Bundesamt für Gesundheit.
Nutzerinnen und Nutzer berichten aus der Pilotphase, dass die ständig im Hintergrund laufende Bluetooth-Funktion den Akku leer saugt. Ein weiterer Nachteil ist, dass es zu Fehlalarmen kommen kann. Zum Beispiel kann die App nicht erkennen, wenn Personen durch Masken geschützt oder durch Plexiglasscheiben getrennt sind. So kann sie nach Situationen Alarm schlagen, die nicht riskant waren. Nicht komplett ausgeschlossen werden kann auch, dass Hacker eine Sicherheitslücke finden und ausnützen.
Die Distanzmessung ist ein Schwachpunkt der App. Ermittelt werden die Abstände über die Stärke des Bluetooth-Signals. Dieses wird jedoch von Hindernissen wie dem menschlichen Körper abgeschwächt. Dass kann die Schätzung des Abstandes verfälschen.
Andere Länder haben andere Apps lanciert. Sie benutzen aber fast alle dieselbe Schnittstelle. Auf deren Basis soll der Datenaustausch in Zukunft auch über die Grenzen hinweg möglich werden, zumindest in der EU. Frankreich allerdings hat als einziges Nachbarland der Schweiz auf ein anderes System gesetzt, das nicht mit der Schweiz und den anderen EU-Ländern kompatibel ist.
Der Bund verspricht, die App nur solange zu verwenden, wie die Eindämmung des Coronavirus dauert. Sollte sie sich als untauglich erweisen, werde sie schon vorher abgeschaltet.
Dieser Artikel wurde schon einmal publiziert. Weil die App heute Donnerstag, ab 11 Uhr zum Download bereit steht, bringen wir ihn nochmals.