Der Tourismus kommt wieder in Schwung. Wir geben Tipps, damit auch die Menschen im gastgebenden Land etwas davon haben.
Die Tourismusbranche wurde besonders hart von den Nebenwirkungen der Pandemie getroffen. Menschen verloren ihren Job, ihre Wohnung, ihre Lebensgrundlage. Nun nimmt das Geschäft wieder Fahrt auf. Viele Schweizerinnen und Schweizer verbringen die Sommerferien im Ausland.
Doch wem kommt das am meisten zugute? Aktionärinnen von Hotelketten und Besitzern von Airlines? Oder denjenigen, die auf jeden Dollar, jeden Peso, jede Rupie angewiesen sind, um täglich Essen zu haben, die Schule der Kinder bezahlen oder lebensnotwendige Medikamente kaufen zu können? Das hängt davon ab, wie die Reise gestaltet wird.
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Grundsätzlich sind alle, die in der Tourismusbranche arbeiten, froh, wenn Menschen ihre Region besuchen und Geld ausgeben. Trotzdem muss für jede Destination geprüft werden, ob zusätzliche Reisende ihr wirklich guttun. Jon Andrea Florin, Geschäftsführer des Portals Fairunterwegs, sagt: «Für Destinationen, die unter Overtourismus leiden, gilt das nicht.»
In Venedig zum Beispiel bringen die Kreuzfahrtschiffe nicht nur ausgabefreudige Touristinnen und Touristen, sondern beschädigen auch das Fundament der Stadt. Nun werden ab 1. August Teile der Lagune für diese Schiffe gesperrt. Was bleibt, ist die extreme Ausrichtung auf jenen Tourismus, der kaum Platz für die Einheimischen lässt. Ähnlich ergeht es vielen sehr bekannten Reisezielen. Für den Tadsch Mahal in Indien etwa mussten die Besucherzahlen beschränkt werden, weil der Palast unter der Abnutzung durch täglich Zehntausende Besuchende litt. Sogar der Mount Everest ist überlastet – er wird mit Müll eingedeckt.
Ein verantwortungsvoller Tourismus beginnt also mit der Wahl der Destination. Dabei geht es nicht nur um Overtourismus. Wie ist es mit Ländern, in denen die Menschenrechte missachtet werden? Ist es möglich, die Türkei zu besuchen, ohne die Erdogan-Regierung zu unterstützen? Wie ist es mit Ländern wie Myanmar, das von einer Militärdiktatur kontrolliert wird?
Für Jon Andrea Florin ist gerade in solchen Ländern eine sorgfältige Planung wichtig. In Myanmar dürfte es schwierig werden, überhaupt eine Unterkunft zu finden, die nicht vom Militär kontrolliert wird – von Reisen in dieses Land rät das eidgenössische Aussendepartment derzeit aus Sicherheitsgründen ohnehin ab. Grundsätzlich empfiehlt Florin, Orte zu besuchen, bei denen der Gewinn in der lokalen Bevölkerung bleibt. Also lieber ein Souvenir vom Handwerksbetrieb kaufen als «made in China» im Supermarkt.
Auch in Ländern, die noch nicht überlastet sind, können die Ferien durch gutes Planen so gestaltet werden, dass die lokale Bevölkerung stärker profitiert. Oft ist es aber schwierig, abzuschätzen, wohin das Geld fliesst, das wir für unsere Reise ausgeben. Florin empfiehlt, den Umgang mit öffentlichen Gütern – etwa dem Strand – in einer Region zu betrachten.
Wenn das ganze Ufer von Hotels privatisiert wurde, ist das ein Hinweis, dass vom Tourismus nur wenige profitieren. Steht der Strand dagegen allen offen, ist die Privatisierung vermutlich auch in anderen Bereichen weniger weit fortgeschritten, und die breite Bevölkerung hat mehr davon, wenn Besucherinnen und Besucher hier Geld ausgeben.
Mit solchen Überlegungen eine Reise zu planen, ist allerdings aufwendiger, als den bekanntesten Instagram-Sujets oder den günstigsten Schnäppchen zu folgen. Wer sich davon überfordert fühlt, kann auf Labels achten. Auch dies ist nicht ganz einfach. Es gibt unzählige touristische Zertifikate; teils beachten sie soziale, teils ökologische Faktoren. Eine Orientierungshilfe bieten der Labelführer, der auf der Website von «Fairunterwegs» zu finden ist, und ausgewählte Reisebüros, die in ihren Datenbanken Zugriff auf zertifizierte Hotels haben.
Wichtig für die Bewohnerinnen und Bewohner des gastgebenden Landes ist, dass Reisende die Gebräuche kennen. Welche Kleidung ist wo angemessen? Welche Tabus gibt es zu beachten? Wie viel Trinkgeld ist in welcher Situation angebracht? Wer die Antworten auf solche Fragen kennt, kann den Menschen respektvoll begegnen.
Auch ein paar Worte und Sätze in der lokalen Sprache zu kennen, verändert den Umgang mit der einheimischen Bevölkerung. Wer die Menschen in deren eigener Sprache begrüsst, verabschiedet, ihnen dankt, signalisiert damit ein Interesse für die Kultur des Landes. Dieses ist eine Grundvoraussetzung, um den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, statt nur Dienstleistungen zu beanspruchen. Zur Kultur gehören die traditionellen Speisen einer Region. Deren Zutaten stammen zudem tendenziell eher aus lokaler Produktion, was wiederum der Bevölkerung zugutekommt, die in der Landwirtschaft tätig ist.
Die vielleicht wichtigste Voraussetzung für rücksichtsvolles Reisen ist oft schwer zu erfüllen: sich viel Zeit nehmen. Je länger wir an einem Ort bleiben, desto besser verstehen wir die Menschen und die Kultur und können uns darauf einlassen.
Wer genügend Zeit einplant, gewinnt zudem Spielraum für ökologische Transportmittel. Mit dem Stadtbus ist der Strand zwar weniger schnell erreicht als per Mietauto – aber unterwegs kommt es zu interessanten Begegnungen. Und ist der Inlandflug wirklich nötig, oder geht es auch per Fernbus? Apropos fliegen: Nachhaltig ist das nie. Und einige Feriendestinationen – etwa die Philippinen oder die Bahamas – werden von den Folgen des Klimawandels, insbesondere extremen Wetterereignissen, besonders hart getroffen. Wer trotzdem fliegt: mit Blick aufs CO2-Budget lieber einmal drei Wochen als dreimal eine Woche nach Übersee.