Diese Woche in der Nahverkehr-Rubrik der Schweiz am Wochenende: Der geschichtsträchtige Wanderweg von Diessenhofen nach Stein am Rhein.
«Die Luft ist kühl und es dunkelt und ruhig fliesst der Rhein», heisst es in Heinrich Heines «Loreley»-Gedicht. Und ja, der Rhein ist für gute drei Stunden unser gutmütiger Wandergeselle auf dem Weg von Diessenhofen nach Stein am Rhein.
Die Wanderung beginnt bei der historischen Holzbrücke Diessenhofens, das im westlichen Zipfel des Thurgaus liegt. Zunächst aber lohnt sich ein Gang durch die mittelalterliche Altstadt, die grösste im Kanton. Schöne Häuserensembles prägen sie ebenso wie markante Einzelgebäude, etwa der schlossartige Unterhof und die nahe Stadtkirche oder der schlanke, hohe Siegelturm. Doch zurück zur Holzbrücke, die aller Weltgeschichte trotzte, auch der Bombardierung des deutschen Brückenkopfs durch amerikanische Piloten 1944.
Die Wanderung führt zuerst an einem unübersehbaren Turm vorbei, der zuletzt einem Färber zum Trocknen seiner Tücher diente, dann durch die Flussbadi. Ab hier verläuft der Weg für etwa 50 Minuten direkt am befestigten Ufer des Rheins entlang. Auf der anderen Uferseite säumen den Weg erste Schlüsselblumen und duftender Bärlauch. Dem stillen Fluss entlang zu gehen, weg von Lärm und Betrieb, hat etwas Meditatives. Dabei hilft auch, dass Aprilwetter herrscht: keine Menschenseele weit und breit.
Beim Gasthaus Schupfen ist es vorerst vorbei mit der Ruhe. Entweder überquert man hier die Hauptstrasse und steigt rund 160 Meter den Wald hinan zum Aussichtspunkt «Generalstand» und dann wieder hinunter zum Rhein. Oder man geht geradeaus weiter, ein paar hundert Meter entlang der Hauptstrasse, um dann erneut in die Stille abzutauchen. Nun hat man den Fluss mehr oder weniger bis zum Ziel unter oder neben sich, durchstreift Flur- und Wald mitten durch ein Wasser- und Zugvogelreservat. Wer also ein Auge für Vögel hat... Die entlaubte Landschaft ist transparent – auch ein Vorzug von Wanderungen in dieser Jahreszeit.
Bald kommt die Burg Hohenklingen in Sicht, ein Wahrzeichen von Stein am Rhein, hoch über dem Schaffhauser Städtchen. Ein anderes sind die mit farbenprächtigen Wandbildern und Inschriften geschmückten Häuser, die sofort ins Auge fallen, betritt man die kompakte Altstadt. Sie erzählen oft von historischen Ereignissen, so von der Heimkehr des Steiner Fähnleins aus der Schlacht bei Murten. Auf dem Bild wird leidenschaftlich geküsst und ordentlich gebechert. Genau hinzuschauen, auch auf die prächtigen Erker und Wirtshausschilder, macht Freude. Dass Stein am Rhein heute eine so lebendige, an Sehenswertem reiche Altstadt hat, ist nicht selbstverständlich. Am 22. Februar vor 75 Jahren wurde der Ort irrtümlich von einem amerikanischen Flugzeug bombardiert. Neun Menschen kamen ums Leben, viele Häuser wurden zerstört oder schwer beschädigt.
Nun, darüber lässt sich in einem der Restaurants vorne am Rhein sinnieren, ehe die Bahn – oder ab 10. April bald auch wieder das Schiff – einen zurückbringt an den Ausgangspunkt.