Harry und Meghans zweites Baby ist da: Es heisst Lilibet Diana. Ein Schlag ins Gesicht der Royals oder Akt der Versöhnung? Eine Namensexpertin klärt auf.
Nun ist das Baby da: Lilibet Diana Mountbatten-Windsor, genannt Lili, kam am 4. Juni im kalifornischen Santa Barbara auf die Welt und ist wohlauf. Und ihr Name ist bereits symbolisch aufgeladen wie kaum ein anderer.
Selbst wer das nie enden wollende Drama der Königsfamilie Grossbritanniens und den «Megxit» der letzten Monate, das Oprah-Interview, die unterkühlten Pressestatements aus dem Königshaus, nicht mitverfolgt hat, eines wird auch dem Anti-Royal-Kenner ins Auge stechen: Der Name Diana. Geben die beiden Elternteile doch der verstorbenen Mutter von Prinz Harry einen grossen und klaren Platz im neuen Leben der kleinen Tochter.
Wollen sie damit auch die Zukunft des kleinen Mädchens in die Herzen der englischen Bevölkerung legen? War Diana, die erste Ehefrau von Prinz Charles, doch die Königin der Herzen. Niemand war seit Jahrzehnten so populär wie sie. Und kaum ein Tod wurde im Land so sehr betrauert wie ihrer. Und nun nehmen sie ausgerechnet diesen Namen? Der auch überschattet ist mit Tragik und frühem Tod?
Vielleicht fühlen sie auch mit ihr – ist das Paar laut eigenen Angaben doch auch vor der Paparazzi-Schar nach Amerika geflüchtet, die ihnen in England das Leben ähnlich schwer machte wie damals Harrys Mutter.
Doch bei genauerem Hinsehen ist nicht nur der zweite Vorname der kleinen Prinzessin bemerkenswert eng mit der königlichen Familie verknüpft: Denn Lilibet ist der offizielle Spitzname von Königin Elisabeth II. Diese regiert seit 1952 in knallharter Beständigkeit das Land und hat, geht es nach den Aussagen von Prinz Harry und Herzogin Megan, eine warme und nahe Beziehung zu Harry und seiner neuen Familie.
Lilibet wurde die Queen seit geraumer Zeit nur von ihrer grossen Liebe, dem kürzlich verstorbenen Prinz Philip, genannt. «Lilibet ist das Einzige (...) auf der Welt, das für mich absolut real ist», schrieb Philip nach der Hochzeit in einem Brief an seine Schwiegermutter. Sie trägt den Spitznamen seit ihrer Kindheit, weil sie ihren eigenen Namen damals, als Kleine, nicht aussprechen konnte. Ihr Grossvater King George V. imitierte ihre Versuche auf liebevolle Weise und nannte sie Lilibet.
Eine intime Geste also, die nun eine grosse Öffentlichkeit erfährt. Und ein Zeichen für die anhaltende Fixierung des Paares auf die Institution Königshaus, von der sie sich doch angeblich mit Abscheu abgewendet haben. Angela Levin, die eine Biographie über Prinz Harry geschrieben hat und dafür von ihm zum Gespräch in den Kensington Palast eingeladen wurde, findet die Entscheidung des Ehepaars Sussex «ziemlich unhöflich gegenüber Ihrer Majestät, der Königin».
Levin erklärte in der TV-Show «Good Morning Britain» weiter: «Es war ein sehr privater Spitzname von ihrem Ehemann, der noch nicht lange tot ist. Prinz Charles würde nie im Traum daran denken, seine Mutter Lilibet zu nennen. Er hat den Namen nie benutzt.» Auf die Frage, ob die Queen sich darüber freuen würde, dass der Name neu vergeben wurde, antwortet die Autorin in Anspielung an das Oprah-Interview: «Nicht nach dem, was passiert ist. Ich denke, sie ist todunglücklich.»
Das britische Königshaus gab, dessen ungeachtet, über einen Sprecher ebenso wie Bruder William und seine Frau Kate bekannt, man sei über die Geburt des Mädchens «Lili» hocherfreut. Das Paar hütete sich jedoch davor, «Lilibet» zu schreiben. Sogar der britische Premierminister Boris Johnson gratulierte sofort umgehend. Einige sehen in der Namenswahl Hochverrat, weil sich die beiden Abtrünnigen so wieder ins Zentrum der Macht vordrängen würden. So würde Lilibet nun eine Position im Innersten der Familie besetzen, die ihr nicht zustehe.
Andere lesen den Namen eher als Versöhnungsangebot denn als Affront. Ein Statement des Buckingham Palace zur Namenwahl steht noch aus. Insider berichteten der Zeitung «Daily Mail», dass Harry die Queen vorab informiert habe Die Namenforscherin Simone Berchtold von der Universität Zürich sieht in der Namenwahl eine Verewigung der Ahnenreihe. Das sei bei Royals in der Regel nichts Ungewöhnliches. Bei einem Paar, das gerade mit der Krone gebrochen hat, ist diese Namenswahl jedoch erstaunlich.
Das Paar habe es aber sehr wohl geschafft, Altes und Neues gekonnt miteinander zu verbinden: «Die Gesamtkombination von Vornamen und Nachname zeugt von einer grossen Tradition und von royalem Ursprung, die Abkürzungsform Lili des ersten Vornamens aber ist in westlichen Kulturen schon länger Trend», sagt Berchtold.
Kosenamen und Kurznamen seien für Royals eher ungewöhnlich – Harry und Meghan hatten die Kurzform aber schon bei Archie angewendet, Lilibet’s Bruder. «Insofern haben sie konsistent entschieden», sagt Berchtold. Die Zugehörigkeit zur royalen Familie könne so verspielt und indirekt untermauert werden, gleichsam werde die Namensgebung durch die Kurzform demokratisiert.
Ist das Mädchen nun aber überhaupt noch eine eigene Person, wenn beide Namen von anderen, grossen Frauen aus ihrer Vergangenheit abstammen? Ja, sagt die Expertin. Weil man mit dem Kosenamen keine Kopie anstrebte, sondern eine Abwandlung gewagt hat.
Überhaupt würden Eltern heutzutage vermehrt auf Individualität beim Namen setzen. Nicht in Abgrenzung zum allgemeinen Trend, sind doch Emma oder Noah häufig vergebene Namen. Doch in Abgrenzung an die eigenen Ahnen. «Heute heisst kaum mehr jemand wie der eigene Vater», sagt Berchtold. Diese Zeiten seien vorbei. Viel eher würden Oma und Opa in einem möglichen Zweitnamen verewigt. Und: Wichtig sei den Eltern vor allem, dass die Namen wohlklingend sind. «Wohlklang ist natürlich sehr individuell. Aber auf die etymologische Bedeutung schaut heute kaum mehr jemand.»
Megan und Harry haben sich also für einen Namen entschieden, der gleichsam bodenständig, lieblich, nahbar ist und ein grosses Erbe verkörpert. Einige sagen nun, das sei die neuste Machtdemonstration des Paares. Andere: Freuen sich einfach.