Mentale Stärke
Machen Sie es wie Roger Federer - sieben Tipps, die uns mental unbesiegbar machen

Eine unglaubliche Aufholjagt hat Roger Federer am Montag in Australien hingelegt. Mentale Stärke heisst sein Zauberwort. Dazu gehören Faktoren, die jeden unbesiegbar machen.

Niklaus Salzmann, Sabine Kuster
Drucken
Optimal ernährt, ausgeschlafen, den Sieg hat er vor dem Match in aller Ruhe schon visualisiert? Wahrscheinlich macht Roger Federer das alles richtig.

Optimal ernährt, ausgeschlafen, den Sieg hat er vor dem Match in aller Ruhe schon visualisiert? Wahrscheinlich macht Roger Federer das alles richtig.

Keystone

Sieben Matchbälle hat Roger Federer gestern am Australian Open abgewehrt und diese Partie danach klassiert zu den «Top 5 meiner grössten, wundersamsten Rettungen». Gerettet hat Federer seine mentale Stärke. Doch wie trainiert man das?

Klar ist, dass einige Faktoren dazu angeboren sind und dass ein gutes Selbstbewusstsein, welches dafür auch nötig ist, in der Kindheit entsteht. Ausserdem macht auch Erfahrung widerstandsfähiger und stärker. Acht Faktoren, die wir hingegen selber in der Hand haben.

1: Das grosse Ziel visualisieren und in kleine Schritte aufteilen

Sieg ist Einstellungssache. Was plakativ tönt, kann tatsächlich funktionieren: Wer sich die anstehende Herausforderung mit einem guten Ausgang vorstellt und die positiven Gefühle dabei verinnerlicht hat einen Startvorteil.

Man zapft damit sein Unterbewusstsein an: Die positive Einstellung und das Selbstbewusstsein übertragen sich auf unser Auftreten – unser Gegenüber spürt das sofort und wir handeln damit unbewusst zielgerichteter. Es lohnt sich dabei, auch die kleinen Ziele zu visualisieren: Also lieber den nächsten Ballwechsel gewinnen wollen, als sich gleich mit dem ganzen Match unter Druck setzen.

Berühmte Menschen mit Erfolgen nach einem Karriereknick:

Tina Turner, 80, Sängerin: Die Amerikanerin aus Tennessee musste viel erleiden: Nicht nur als ungewolltes, geschlagenes Kind und Frau eines profitgierigen, gewalttätigen ersten Ehemannes Ike Turner. In den letzten Jahren hat sie einen Schlaganfall überstanden, Darmkrebs und eine Nierentransplantation. Die Frau mit der (früheren) Löwenmähne kämpft um ihr Leben – heute wie damals. Und das erfolgreich. (kus)
5 Bilder
Steve Jobs (1955-2011), ehemaliger Apple-Chef: Mit einer unklaren Strategie hatte sich Apple beinahe in die Pleite manövriert. Dann kam Mitgründer Steve Jobs, der die Firma zuvor wegen eines Streits verlassen hatte, zurück. Ihm gelang mit dem Desktop-Computer iMac die Wende. 2007 landete Apple unter seiner Ägide mit dem iPhone den grossen Wurf. Heute ist Apple mit einem Marktwert von 1,35 Billionen Dollar der zweitwertvollste Konzerne der Welt. (gjo)
Roberto Zanetti, 65, Ständerat Kanton Solothurn: Der Solothurner SP-Politiker Roberto Zanetti musste arg untendurch. 2005 schien die Karriere des «roten Röbu» vorbei. Ihm wurde die Affäre um die Stiftung Pro Facile des Betrügers Dieter Behring zum Verhängnis. Das Volk wählte Zanetti ab. Später wurde seine Unschuld bestätigt. 2009 gab er sein Comeback. Zuerst im Kantonsrat, ein Jahr später wurde er in den Ständerat, wo er bis heute sitzt, gewählt. (rom)
Wolfgang Schäuble, 77, Präsident des Bundestages: Wolfgang Schäuble war auf der Höhe seiner Karriere, als er – damals deutscher Innenminister – bei einem Wahlkampfauftritt im Schwarzwald am 20. Oktober 1990 mit zwei Kugeln niedergeschossen wurde. Schäuble, heute 77, überlebte nur mit Glück und ist seither querschnittgelähmt. Doch trotz Rollstuhl kehrte er nur sechs Wochen später auf die Politbühne zurück. Seit 2017 ist er Präsident des Bundestages. (sas)
Klaus Kinski (1926-1991), Schauspieler: Die meisten Filme, in denen er selber spielte, fand Klaus Kinski «zum Kotzen». Seine Rollen als psychopathischer Mörder in Edgar-Wallace-Verfilmungen stumpften sich ab, er geriet in der Öffentlichkeit in Vergessenheit. Doch mit Regisseur Werner Herzog gelang ihm in den Siebzigern das Comeback. Und zwei Jahre vor dem Tod kam sein Karrierehöhepunkt: ein Film unter eigener Regie. (nsn)

Tina Turner, 80, Sängerin: Die Amerikanerin aus Tennessee musste viel erleiden: Nicht nur als ungewolltes, geschlagenes Kind und Frau eines profitgierigen, gewalttätigen ersten Ehemannes Ike Turner. In den letzten Jahren hat sie einen Schlaganfall überstanden, Darmkrebs und eine Nierentransplantation. Die Frau mit der (früheren) Löwenmähne kämpft um ihr Leben – heute wie damals. Und das erfolgreich. (kus)

CH Media

2: Ängste akzeptieren und einen Coach beiziehen

Positiv denken heisst nicht, dass Ängste und Zweifel verdrängt werden sollen. «Wird eine Angst nicht anerkannt, dann wird sie grösser», sagt Antoinette Wenk, Mitgründerin des Resilienz Zentrum Schweiz. «Wir müssen sie annehmen, um sie dann abzukühlen.» Eine wichtige Rolle dabei spielt der Körper: Eine starke Position einnehmen hilft, und auch Stress buchstäblich abzuschütteln kann funktionieren.

Weitere Strategien gibt es bei Coaches: Auch Spitzensportler und immer mehr Manager ziehen Mentaltrainer bei. Nebst deren Fachwissen und dem Aussenblick helfen die vereinbarten Termine auch, sich die nötige Zeit für die mentalen Fragen zu nehmen.

3: Schwierige Situationen lassen sich mit Humor lösen

Humor hilft auf zwei Ebenen, schwierige Phasen durchzustehen. Einerseits schüttet der Körper beim Lachen Endorphine, sogenannte Glückshormone, aus und die Atmung verbessert sich. Tatsächlich wirkt es sogar positiv, wenn sich jemand bemüht, eine Minute lang zu grinsen.

Auf der anderen Ebene hilft Humor, kreative Lösungen zu finden. Die Kinder wollen am Morgen nicht aufstehen und zur Schule gehen? Gehen Sie sie verkleidet wecken – nach einem Lachen wird es einfacher gehen.

4: Selbstwirksamkeit kann auch später noch trainiert werden

Das Gefühl, Dinge selber verändern zu können, erwerben wir mehrheitlich in der Kindheit. Doch Franz Holderegger, Psychologe und Geschäftsführer von Krisenintervention Schweiz, sagt: «Wer sich drei mal am Tag 20 Sekunden lang an ein eindrückliches Erfolgserlebnis erinnert, kann das verstärken.»

Denn es präge sich mit der Zeit in den präfrontalen Cortex ein, wo die Selbstwirksamkeit lokalisiert sei. Auch anderen helfen fördert dies übrigens.

5: Abschalten und Entspannen ist tatsächlich produktiv

Wir können nicht ständig fokussiert sein. Nicht mal Roger. Das ausgeschüttete Adrenalin und Cortisol muss wieder abgebaut werden, sonst führt das längerfristig zu Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und einem schwächeren Immunsystem. Abschalten gelingt einfacher, wenn man auch räumlich an einem anderen Ort ist.

Am besten in der Natur. Gelingt es immer noch nicht, kann die zeitliche Distanz helfen: Stellen Sie sich vor, wie Sie die Situation in zehn Jahren beurteilen werden. Eine Pause hilft aber auch präventiv vor jedem wichtigen Gespräch oder einem Vortrag. Gerade dann ist es wichtig, ein paar mal tief ein- und auszuatmen. Ausgefeiltere Meditationstechniken gibt es viele. Wer vor lauter Ruhen nervös wird, sollte wissen: Dieses vermeintliche Nichtstun ist der Nährboden der mentalen Stärke.

6: Bewegung trainiert nicht nur die Muskeln

Wenn wir uns bewegen, funktioniert der ganze Stoffwechsel besser und unser Gehirn wird mit mehr Sauerstoff versorgt: Wir fühlen uns wacher und sind konzentrierter. Diesen Vorteil hat Roger Federer ohnehin. Leute mit Bürojobs können Sport benutzen, um danach bei einer Herausforderung effizienter, ausdauernder und kreativer zu sein.

Sport nach der Arbeit führt dazu, dass wir den Stress schneller abbauen und bereit sind für Neues. Wenn wir uns ausserdem im Sport Durchhaltewillen antrainieren, dann gelingt das eher auch im Berufs- und Privatleben: Das Selbstvertrauen, das wir durch die sportlichen Erfolge gewinnen, kann sich auf die ganze Persönlichkeit übertragen.

7: Den Schlaf pflegen und rechtzeitig essen

Ob Tennismatch oder wichtige Sitzung: ausgeschlafen geht es besser. Doch genau in der Nacht davor stören die kreisenden Gedanken das Ein- und Durchschlafen. Nebst Entspannung (siehe Punkt 6) gibt es auch ganz praktische Wege, den Schlaf zu verbessern: kein Bildschirm im Bett, regelmässige Schlafenszeiten, keine Aktivitäten (ausser Sex) im Schlafzimmer.

Die letzte Mahlzeit sollte spätestens zwei bis drei Stunden vor dem Zubettgehen zu sich genommen werden und nicht zu viel Fett und Zucker enthalten. Und auch Alkohol – entgegen dem Volksglauben – stört den Schlaf. Für bessere Konzentrationsfähigkeit ist tagsüber vor allem genügend Flüssigkeit wichtig.